Traditionelle Jagdtracht: Was hat es mit den Stickereien auf sich?
Traditionelle Jagdbekleidung feiert ein furioses Comeback.
Woran liegt das? Und warum spielen Stickereien dabei eine so zentrale Rolle?
Ein Beitrag von Lucas Palm im Gespräch mit Markus Meindl.
LEDERHOSEN STICKEREIEN
Traditionelle Jagdtracht
Funktionskleidung liegt im Trend. Kein Wunder: Seit einigen Jahren verstehen es die großen Sportmarken, Menschen für ihre Jacken, T-Shirts, Hosen und Pullis zu begeistern. Winddicht seien sie, atmungsaktiv, thermoregulierend, elastisch, antimikrobiell – und so weiter. Das mag auch alles stimmen. Nur scheint Funktionalität eben nicht mehr das einzige Kriterium zu sein, wonach Menschen ihre Kleidung für ihre Outdoor-Aktivitäten auswählen. Seit Neuem nämlich lässt sich beobachten, dass sich traditionelle Bekleidung immer größerer Beliebtheit erfreut. Auch, weil sie in Sachen Funktionalität der vielbeschworenen Funktionskleidung in nichts nachsteht. Besonders deutlich wird das bei der traditionellen Jagdbekleidung.
„Bei den Gesellschaftsjagden des Adels oder höherer Gesellschaftsschichten ist die traditionelle Bekleidung eigentlich nie wirklich verschwunden“, sagt Markus Meindl. „Aber dass auch Jägerinnen und Jäger aus der Mitte der Gesellschaft gerne diese Kleidung tragen, ist ein relativ neues Phänomen.“ Meindl weiß, wovon er spricht. Er ist nicht nur leidenschaftlicher Jäger, sondern führt mit Meindl Fashion in Bayern auch eines der renommiertesten Familienunternehmen in der traditionellen Modebranche.
- Was also steckt hinter dem Trachtentrend bei der Jagd?
- Was hat es mit Stickereien auf sich?
- Und was bedeuten sie?
Hirschleder und tolle Wolle
gegen Wind & Regen
Dass die traditionelle Trachtenkleidung bei Jägerinnen und Jägern ein furioses Comeback feiert, hat mehrere Gründe: „Sie ist praktisch, sie ist robust, und sie wird aus Materialen aus der Region gefertigt“, sagt Meindl. Bestes Beispiel dafür ist die Lederhose aus Hirschleder. „Eine echte Hirschlederne wärmt im Winter, während sie im Sommer kühlt und vor Dornen schützt. Sie wirkt wie eine zweite Haut. Dadurch verschmilzt man geradezu mit der Natur!“
Traditionellerweise trug man beim Jagen zur Lederhose einen Lodenmantel. Vor allem im Alpenraum galt der Loden – hergestellt aus der Wolle von Hochlandschafen – der bäuerlichen Bevölkerung als widerstandsfähigster Kleidungsstoff. Und so ist auch der Lodenmantel ein über Jahrhunderte erprobtes Wunderding an Wind- und Regenfestigkeit. Unter dem Lodenmantel trug man in der Regel ein Baumwollhemd und, je nach dem, handgestrickte Pullover aus Merinowolle.
Und was hat es mit den Stickereien auf sich? Nun, die entscheidende Rolle dabei spielt die Lederhose. Ja, sie ist fast schon das Kernstück, wenn es darum geht, Stickereien und ihre Bedeutung in der Jagdtracht zu verstehen.
Königliche Stickereien
Dafür muss man jedoch etwas in die Vergangenheit blicken. Denn früher war auch die Jagd nach dem gesellschaftlichen Stand der Jägerinnen und Jäger organisiert. „Prinzipiell kann man sagen: Je mehr Stickereien sich auf einer Lederhose befanden, desto höher war der Stand der Person“, sagt Markus Meindl. Was heißt das genau? „Jeder Lederhose“, erklärt er, „hat eine Seitennaht. Durch sie wird das Hinter- und das Vorderteil der Hose zusammengehalten.
Je mehr Stickereien sich um diese Seitennaht herum rankten, desto höher der Stand. Der Bauer beispielsweise hatte nur eine einfache Naht, ganz ohne Stickereien. Der Kaiser hingegen hatte sage und schreibe neun Stickereien!“ Auch „Auszier“ genannt, bestehen die Stickereien traditionellerweise aus Streifenornamenten und alpinen Blumenmotiven.
In Österreich
wird plastisch gestickt
Die Stilistik der Lederhosen Stickereien unterscheidet sich dabei je nach Region. „In Bayern beispielsweise wurde eher glatt gestickt, in Österreich hingegen plastisch. Das heißt, die Stickereien auf einer österreichischen Lederhose wirken manchmal etwas dreidimensionaler.“ Die Art und Weise, welche Motive wie gestickt werden, hüten die wenigen Stickerinnen und Sticker, die das Handwerk noch beherrschen, wie einen Schatz. Oft wird diese Kunstfertigkeit von Familiengeneration an Familiengeneration weitergegeben. Kein Wunder also, dass bis heute das Ausmaß der Stickerei darüber entscheidet, wie teuer eine Lederhose oder Tracht ist. Fest steht: Eine solches Kleidungsstück ist etwas Bleibendes. Genauso wie die Kunstfertigkeit des Stickens werden auch Lederhosen, Lodenmäntel und Co. über Generationen hinweg vererbt. Weil sie eben nichts mit Trends zu tun haben. Und unverwüstlich sind – aus Tradition.