Energie erneuerbar und tiergerecht – geht das?
Erneuerbare Energie klingt ziemlich super: Sie lässt uns Menschen fröhlich Strom und Gas produzieren, ohne fossile Brennstoffe anzugreifen und dabei Abgase in die Luft zu blasen. Doch was bedeutet es für unsere Wildtiere, wenn die Natur dafür umgestaltet wird?
ERNEUERBARE
ENERGIE
Der Ausbau der erneuerbaren Energien gilt vielen als Versprechen: Wenn die verhängnisvolle Erderwärmung überhaupt noch gestoppt werden kann, dann durch Windräder, Photovoltaik, Wasserkraft und Co. Andere sehen darin die große Unbekannte, die sich plötzlich inmitten von Feldern, Flüssen oder Waldstücken breitmacht. Schließlich lebt dort doch Jemand. Nämlich jene, die selbst nicht laut dagegen schreien können: Wildtiere.
Gerade wenn es um den Bau bestimmter Großprojekte geht, scheinen die Fronten oft schnell verhärtet. Eben zwischen jenen, die damit die Natur retten wollen und jenen, die nicht verstehen, warum ausgerechnet ihr Fleckchen Erde dafür herhalten muss. Aber was geschieht wenn das Instrument, dass die Natur retten soll selbst der Natur schadet? Am stärksten betroffen vom Ausbau der Erneuerbaren sind nämlich meist gar nicht Menschen – sondern Tiere. Allen voran das Wild. Aber wie genau? Und worauf kommt es bei einem wildtierfreundlichen Ausbau der erneuerbaren Energie wirklich an?
Rotorblatt oder
Greifvogel?
Wenn Windräder gebaut werden und damit die Landschaft umstrukturiert wird, bedeutet das für verschiedene Wildtiere unterschiedliches. Der Wegfall von Hecken und Baumgruppen spielt dabei natürlich eine Rolle, aber auch die Beeinträchtigung des Luftraumes sowie die herbeigeführte Veränderung der Luftströme, hat Auswirkungen auf die Instinkte der Wildtiere, deren Lebensweise stark an Umwelteinflüsse gekoppelt ist. Für Wildtiere, die von Natur aus auf der Speisekarte von Greifvögeln stehen, bedeuten Windräder zusätzlichen Stress. Denn das Wildtier kann nicht zwischen dem harmlosen Schatten des Rotorblatts eines Windrades und dem gefährlichen Schatten des Raubvogels unterscheiden und meidet somit großflächig den ganzen Bereich um das Windrad herum.
Dieser Verdrängungseffekt ist besonders dramatisch, wenn es eine sensible Wildart trifft, deren Vorkommen bereits durch Verinselung des Lebensraumes rückläufig ist. (Schöll und Nopp-Mayr 2021) Dr. Eva Schöll, MSc. von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) vergleicht, im Sinne einer umfassenden Analyse der Thematik, Studien, die in dieser Angelegenheit in den letzten zwanzig Jahren durchgeführt wurden und kommt zu dem Schluss, dass Bau, Betrieb und Instandhaltung von Windanlagen die Sterblichkeit, das Verhalten von Wildtieren sowie die Lebensraumeignung in unterschiedlichem Ausmaß verändern und beeinflussen. (E,M.Schöll und U. Nopp-Mayr, 2021).
Fokus auf Wildwechsel
Ferdinand Trauttenberg ist Geschäftsführer von Enery. Das in Österreich ansässige Unternehmen entwickelt eine Vielzahl an erneuerbaren Energieanlagen in Zentral- und Osteuropa und ist gerade dabei, einer der größten Erzeuger von erneuerbaren Energien europaweit zu werden. Vor allem, was großflächige Photovoltaik-Anlagen betrifft, setzt Enery auf nachhaltiges Knowhow. Was heißt das bezüglich der Wildtiere genau? Und worauf gilt es zu achten?
„Gerade wenn man größere Anlagen baut“, erklärt Trauttenberg, „muss man sich überlegen: Wo sind die Wildwechsel?“ Zur Erinnerung: Unter Wildwechsel versteht man Wege, die von Wildtieren regelmäßig benutzt werden. Solche Wege zu verbauen, würde also das Leben der Wildtiere massiv durcheinanderbringen. Was man stattdessen tun kann: „Anlagen segmentieren“, sagt Trauttenberg. „Das heißt, man unterteilt sie in einige Teile und lässt beispielsweise in der Mitte einen Streifen frei für Wildkorridore. Damit kann der Wildwechsel weiterhin stattfinden. Das macht vor allem für Anlagen Sinn, die am Waldrand liegen.“ Aber damit allein ist es noch nicht getan.
Die Jägerschaft
als Stimme der Tiere
Trauttenberg nimmt als Beispiel eine sechs Hektar große Photovoltaik-Anlage im steirischen Bezirk Deutschlandsberg. Dort wird das Thema Biodiversität großgeschrieben – ein Zukunftsthema, das heute beim Ausbau der erneuerbaren Energie immer noch zu kurz kommt. „Statt auf Zäune haben wir dort auf zweireihige Hecken gesetzt“, erklärt Trauttenberg, „wir hängen außerdem über 100 Nistkästen rund um die Anlage auf, haben drinnen viele Totholzhaufen platziert und verfügen auch über eine Vielzahl an Bienenwiesen. Wir schaffen dadurch ein nachhaltiges Habitat für so manche Tiere.
Und wenn man das ordentlich macht, dann steht beispielsweise ein Rehbock sehr wohl irgendwann einmal bei der Hecke und frisst was herunter.“ An den Jägerinnen und Jägern seien Enery-Projekte noch nie gescheitert, betont Trauttenberg. Das liegt auch daran, dass er und sein Team bei jedem Projekt darauf achten, möglichst alle Interessen der jeweils betroffenen Menschen einzubinden. Ein Glück, dass die Jägerinnen und Jäger gerade in solchen Fällen auch die Interessen der (Wild)Tiere vertreten. Und dafür sorgen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energie auch wirklich nachhaltig ist.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: ©Enery;
Wild im Solarpark & Vögel im Windpark: iStock; Sitzenden Vögel auf Solarpanelen: Unsplash.
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at
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