Sind Jäger die regionalsten Nahversorger?
Welche Rolle nimmt die Jagd in unserer Gesellschaft ein? Inwiefern nimmt sie Einfluss auf unsere Ernährung und wie trägt sie zum Schutz des Ökosystems bei? Andreas Zitterer, Bezirksjägermeister in Feldkirchen/Kärnten, erläutert im Interview spannende Hintergründe.
JÄGER
die regionalsten Nahversorger
Auch wenn der Fleischkonsum weltweit allmählich nach unten geht, ist Österreich noch vorn dabei: Rund 65 Kilogramm konsumieren Herr und Frau Österreicher pro Jahr, vor allem Schwein (40 Kilo), Rind, Kalb und Huhn. Wildfleisch nimmt nach wie vor eine kleine Rolle beim Verzehr ein – nur 0,7 Kilo sind es pro Kopf pro Jahr. Wir haben mit Andreas Zitterer, Bezirksjägermeister in Feldkirchen in Kärnten, zum Thema gesprochen. Als hauptberuflicher Land- und Forstwirt weiß er um die Hintergründe Bescheid und sieht das Thema aufgrund adäquater Aufklärung auch im Aufwind. Ein Gespräch über Wildbret einst und jetzt, den Jäger als Multiplikator und die Zukunft in Zeiten des Klimawandels.
Inwiefern trägt aus Ihrer Sicht die Jagd zum Erhalt und Schutz der Ökosysteme bei?
Andreas Zitterer: Neben der Land- und Forstwirtschaft ist die Jagd ein unverzichtbarer Teil des Ganzen. Während die Bevölkerung wächst, wird der Lebensraum verringert – und da braucht es in jedem Biotop klare Regeln. Die Jagd hat diese Regeln und hält sich daran. Ein sehr wesentlicher Beitrag der Jagd ist es auch, dass man Überpopulation verhindert und so beispielsweise auch Tierkrankheiten vorbeugt. Der Erhalt eines gesunden, artenreichen Wildbestands – das ist die Aufgabe.
Wild
vs. andere Fleischsorten
Warum essen wir so wenig Wild – im Gegensatz zu anderen Fleischsorten?
Andreas Zitterer: Das hängt meines Erachtens von mehreren Faktoren ab. Zum einen hinken wir noch ein wenig mit der Aufklärung hinterher; das Wissen, wie schmackhaft Wildfleisch ist und wie gesund, ist noch nicht jedem bekannt. Dazu kommt Faktor zwei: Viele Menschen glauben noch, dass es mit der Wildbrethygiene nicht weit her ist. Wildfleisch hatte diesbezüglich sehr lange einen sehr schlechten Ruf. Durch viele Vorschriften sind wir hier aber schon auf dem Level von Schwein und Rind:
Das Wild wird auf Krankheiten kontrolliert, muss zeitnah versorgt und die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Das sind alles Auflagen zum Schutz des Konsumenten, und das ist auch gut und richtig so – wurde aber lange Zeit sehr vernachlässigt. Und angehende Jäger lernen im Gegensatz zu früher auch, wie man Wild richtig zerteilt und welche Maßnahmen vom Erlegen des Stückes bis zur Kühlung einzuhalten sind. Bei jedem Handwerk braucht es ein Basiswissen – natürlich braucht das der Jäger auch.
Gibt es Maßnahmen, die Nachfrage zu erhöhen bzw. welche könnten es sein?
Das Wildbret-Angebot ist ja da?
Andreas Zitterer: Ja und nein. Das Angebot ist regional nicht überall da. In einem Jagdgebiet unseres Bezirkes werden beispielweise nahezu 5 Kilogramm Wildbret pro Hektar und Jahr genutzt. Das ist schon sehr viel. Die Gemeindejagd Steuerberg hat rund 2350 Hektar jagdlich nutzbare Fläche und wir erlegen 120 Stück Schalenwild in einem Jahr, welches zur Gänze regional vermarktet wird.
Warum?
Andreas Zitterer: Früher haben wir die Hälfte in den Handel gebracht, bis es zu Beginn der Covid-Pandemie geheißen hat, dass die Nachfrage geringer wird und man deshalb den Preis halbieren muss. Daraus hat sich dann entwickelt, dass wir den Handel nicht mehr beliefert haben, sondern regional vermarkten. Das hat sich aus der Not heraus entwickelt. Nachbarn, Freunde etc. haben probiert und sind zum Multiplikator geworden. Heute ist es zumindest in meinem Fall so, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot.
Der Handel importiert nun aber viel Wild. Macht es Sie wütend, wenn Sie im Supermarkt beispielsweise Hirschfleisch aus Neuseeland sehen?
Andreas Zitterer: Wenn ich einen Kilo Hirschschlögel um neun Euro sehe, dann stellt’s mir die Haare auf. Diese Tiere stammen alle aus einer betrieblichen Gatterhaltung, vom ökologischen Fußabdruck ist hier rein gar nichts zu sehen.
Bräuchte es nicht ein zentrales Portal, in dem Kunden gezielt in ihrer Region nach Wildfleisch schauen können?
Andreas Zitterer: Neben den regionalen Jägern und örtlichen Jagdvereinen gibt es inzwischen schon einige Portale, wie beispielsweise „Wild Österreich“, die eine Liste mit regionalen Produzenten bieten. Auf Messen wird Wildfleisch zur Verkostung angeboten, das gab es lange nicht. Das Interesse nimmt also stark zu. Dazu kommen nun auch vermehrt regionale Händler, die das Wild einsammeln, zerteilen lassen und verkaufen. Wir sind auf einem guten Weg.
Andreas Zitterer, Bezirksjägermeister Feldkirchen in Kärnten
Vor welche Herausforderungen
stellt der Klimawandel die Jagd?
Andreas Zitterer: Nehmen wir Kärnten als Beispiel, das Land war bis vor einigen Jahren frei von Schwarzwild, auch durch die strengen Winter. Heute haben wir steigende Zuwachsraten. Zum einen suchen Wildarten wie die Gams, die früher vermehrt vorgekommen sind, heute höhere Zufluchtsorte. Zum anderen kommen neue Aufgaben auf uns zu. Wir Kärntner waren keine Schwarzwildjäger und müssen uns das teilweise erst aneignen. Aber das ist wichtig, damit alles im Lot bleibt. Ein Wildschwein hat eine Zuwachsrate von bis zu 300 %, und während wir in den letzten Jahren zehn bis zwölf Stück im Bezirk erlegt haben, sind es heuer schon 30 Stück Schwarzwild. Das wird in Zukunft eine große Herausforderung werden.
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: © Jagdfakten & Jagd Österreich
Autor für diesen Beitrag: U. Macher / Jagdfakten.at
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