Im Rahmen einer ÖVP-Klubenquete im November 2016 hielt der bekannte Wildbiologe Univ.-Prof. Klaus Hackländer einen Vortrag zum Thema „Tierschutz und Jagd – (k)ein Widerspruch?“ Jagdfakten traf ihn zum Interview:
TIERSCHUTZ & JAGD:
(k)ein Widerspruch?
Jagdfakten: Herr Professor Hackländer, die Jagd steht gerade bei Anhängern der Tierrechtsbewegungen immer wieder im Mittelpunkt von Diskussionen. Inwiefern hat die Veränderung der Mensch-Tier-Beziehung und die Wandlung der Bedeutung des Tieres vom Beutetier zum Nutztier und weiter zum Haustier die Position gegen die Jagd beeinflusst?
Univ.-Prof. Hackländer: Heute werden Tiere oft als Familienmitglieder wahrgenommen. Diese Veränderung der Mensch-Tier-Beziehung zeigt sich auch deutlich in der Jagd. Bisher selbstverständliche Lebensweisen verlieren ihre moralische Geltung. Tiere, die bisher nicht als Mitgeschöpfe anerkannt waren, gelten heute als leidensfähig. Aus Empathie möchten Menschen Mitgeschöpfe vor Angst, Leiden und Qualen schützen. Denn: Der Mensch hat die Verantwortung übertragen bekommen, mit den natürlichen Ressourcen sorgsam zu haushalten.
Jagdfakten: Tierrechtsbewegungen engagieren sich sehr stark für eine Verschärfung der Jagdgesetze. Sind sie aus Ihrer Sicht brauchbare Verhandlungspartner für die Politik?
Univ.-Prof. Hackländer: Für Politiker ist es entscheidend zu wissen, mit wem sie sich für Gesetzesänderungen an einen Tisch setzen, denn nicht jeder hat die gleiche Zielsetzung für die Gesellschaft. Es ist zu unterscheiden zwischen Tierrechten und Tierschutz: Die radikale Tierrechtsbewegung möchte Tierschutz ersetzen. Tierschutz und Jagd sind kein Widerspruch, denn das Töten eines Tieres ist gerechtfertigt, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt, etwa gutes Wildbret zu erlangen, das man verzehren möchte. Die Tierrechtsbewegung hingegen negiert, dass das Tier getötet werden darf, da ihm durch den Tod die Zukunft genommen wird. Menschliche Ansprüche werden somit auf Tiere übertragen. Das Töten der Tiere ist in Tierrechtskreisen nur als ultima ratio anerkannt, z. B. bei Notwehr, Notstand, zum Wohlergehen des betroffenen Tieres oder (und das ist unter Tierrechtlern strittig) bei übergeordneten Interessen wie ökologischen Aspekten und Biodiversität.
Jagdfakten: Stehen Jagdgesetze und das Bundes-Tierschutzgesetz in Widerspruch zueinander?
Univ.-Prof. Hackländer: Weil Jagd immer auch Ausübung von Gewalt ist, bedarf sie allgemeiner Rechtfertigung. Nur aus Jux und Tollerei zu töten gehört schon lange der Vergangenheit an.
Das Bundes-Tierschutzgesetz dient dem Schutz und Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf. Tieren ungerechtfertigte Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, sie in schwere Angst zu versetzen oder sie ohne vernünftigen Grund zu töten, ist verboten. Dies gilt für alle Tiere. Die Jagd ist genauso wie die Fischerei vom Tierschutzgesetz ausgenommen. Aber § 222 Strafgesetz, der mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft, wer ein Tier roh misshandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt, gilt auch für die Jagd.
Jagdfakten: Welchen Einfluss hat die Weidgerechtigkeit auf den Tierschutz bei der Jagd?
Univ.-Prof. Hackländer: Der Begriff der Weidgerechtigkeit in der Jagd impliziert den Tierschutz und bedeutet gute, fachliche Praxis. Dazu gehört es, sich um das Wohlergehen des Tieres zu kümmern, während es lebt, und, wenn man das Leben nimmt, das so schmerzfrei, schnell und sicher wie möglich zu tun, denn: „Für die Jagd müssen wie für jedes andere menschliche Tun ethische Kriterien gelten. Dabei sind neben den jagdlichen Vorstellungen auch die Anliegen anderer Gesellschaftsgruppen zu berücksichtigen. Gemeinsam akzeptierte Grundlage sollte sein, dass Tiere und Pflanzen ein eigenständiges Leben führen, einen eigenen Wert haben und nicht ausschließlich für den Menschen da sind.“ (Seltenhammer et al., 2012) Das bedeutet nicht, dass man sie nicht nutzen darf, aber ihr ethischer Wert muss berücksichtigt werden.
Jagdfakten: Gibt es tierethisch problematische Praktiken der Jagd?
Univ.-Prof. Hackländer: Ja, die gibt es, nämlich
- gesetzlich grundsätzlich verbotene Praktiken wie absichtliches Weichschießen,
- Kupieren, tw. Aussetzen von Wild zum Zwecke des Abschusses, tw. Jagdgatter
- altbewährte Praktiken wie Fallenjagd und Baujagd
- relativ junge Praktiken wie teilweise bei Winterfütterung und Wintergatter
- aktuelle Entwicklungen wie Schalldämpfer, Nachtzielgeräte, extreme Weitschüsse, Jagdzeitverlängerungen.
Jagdfakten: Welche tierethischen Herausforderungen sind aktuell zu diskutieren?
Univ.-Prof. Hackländer: Im Wesentlichen geht es um diese Themenkreise:
- Jagdgatter bzw. umfriedete Jagdgehege: Kann das noch Jagd genannt werden oder handelt es sich hierbei um eine Art von Wildhaltung, ähnlich wie bei der Farmwildjagd, und die Tiere werden mit jagdähnlichen Methoden entnommen?
- Aussetzen von Wild – dient das dem Zweck des Artenschutzes oder gilt es der Belustigung?
- Fallenjagd – es gilt, Daten heranzuschaffen, die belegen, dass die Biodiversität durch die Jagd erhöht werden kann.
- Ruhen der Jagd – Eigentum hat Rechte und nicht nur Pflichten. Wenn ich nicht möchte, dass bei mir gejagt wird, muss das möglich sein, aber natürlich mit Auflagen.
- Hohe Wilddichten – Nutzen der Erhöhung des Jagddrucks und Auflassen von Wildfütterungen? Tradiertes Wissen, wo Nahrung zu welcher Zeit ist, kann man nicht von heute auf morgen auflassen, das muss begleitet werden, eventuell auch mit einem höheren Abschuss.
- Große Beutegreifer – haben sie ein Recht auf Wiederansiedelung oder passen sie bei uns nicht mehr in die Kulturlandschaft? Hier muss man Fakten sprechen lassen, nicht Emotionen.
Jagdfakten: Können Sie uns ein kurzes Fazit geben, ob Tierschutz und Jagd in Ihren Augen im Widerspruch zueinander stehen oder nicht? Was bedeutet dies für künftige Gesetzesänderungen?
Univ.-Prof. Hackländer: Tierschutz und Jagd sind vereinbar, Tierrechtsbewegung und Jagd jedenfalls nicht. Das Töten von Tieren aus vernünftigen Gründen ist gesellschaftlich akzeptiert, sonst gäbe es nicht so viel Fleisch und Wurst. Jagd ist nicht nur Kontrolle, sondern auch Nutzungsrecht. Fokussiert man aber nur noch auf jene Tiere, die bejagt werden müssen, verliert man die Sicht auf jene, die bejagt werden dürfen. Das ist Jagdkultur. Die Abgrenzung zu ethisch problematischen Praktiken innerhalb der Jagd und in den Gesetzen ist wichtig, z. B. mit weitreichenderen Strafen für eventuelle Jagdvergehen.
Die Jagd ist komplex. Anpassungen von bestehenden Jagdgesetzen auf Landes- und Bundesebene bedürfen einer vergleichsweise umfassenderen Prüfung. Dies auf Augenhöhe mit Tierrechtsbewegungen zu diskutieren, die als Ziel haben, die Jagd abzuschaffen, wäre fatal.
Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer ist Universitätsprofessor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien. Er beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit dem Management von Wildtieren und ist in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien als Experte aktiv, u. a. Vizepräsident der Division Angewandte Wissenschaften im Internationalen Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd CIC, Kuratoriumsmitglied der Deutschen Wildtier Stiftung und wissenschaftlicher Beirat im WWF Österreich. Einen Jagdschein besitzt er nicht.
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Bildquellen für diesen Beitrag: Jagdfakten.at/L. Molter
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