
Langzeitstudie zeigt Unerwartetes:
Wir glaubten, alles über sie zu wissen – bis ein kalifornisches Forschungsteam diesen Sommer eine Entdeckung machte: Erdhörnchen jagen! Die Ergebnisse werfen bis in unsere Breiten ökologische Fragen auf – und betreffen auch die Jagd.
ERDHÖRNCHEN
Plötzlich Fleischfresser?
Süß sind sie, diese Erdhörnchen mit ihren vollen Bäckchen, wenn sie an ihren Nüsschen knabbern. Ja, man könnte über diese herzallerliebsten Nagetiere ganze Seiten im Diminutiv füllen – gäbe es da nicht eine neue Erkenntnis: So süß sind sie auch wieder nicht. Zumindest gilt das für die Kalifornischen Ziesel, eine – offenbar ziemlich grausame – Art innerhalb der Erdhörnchen. Was ist da los? Wie geht das, dass im Jahr 2024 eines der scheinbar vertrautesten Tiere in unseren Breiten plötzlich so anders ist, als es die Wissenschaft Jahrzehnte lang annahm? Und hat das Auswirkungen auf die Jagd?
Jagd auf
Wühlmäuse
Es ist so: Im Zuge einer Langzeitstudie im Briones Regional Park in Kalifornien stießen Wissenschafterinnen und Wissenschafter von der University of California in Davis auf ein unerwartetes Verhalten einer bestimmten Art von Erdhörnchen, nämlich des Kalifornischen Ziesels, das in weiten Teilen der Westküste Nordamerikas heimisch ist:
Über einen Zeitraum von 18 Tagen stellten sie insgesamt 74 Jagd- oder Tötungsakte dieser Ziesel auf eine einzige bzw. von einer einzigen Tierart fest: Wühlmäuse. Auffällig daran: Die Wühlmäuse wurden enthauptet und dann verspeist. An diesen Vorfällen waren mindestens 27 verschiedene Ziesel beteiligt, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Einige Ziesel versuchten sogar, bereits tote Wühlmäuse von Artgenossen zu stehlen.
Wie kommt es, dass Ziesel sich plötzlich als Prädatoren gerieren – obwohl sie bisher vor allem als Samen-, Nüsse- und Früchtefresser bekannt waren, die nur ausnahmsweise auf Insekten und Eier zurückgriffen? Die Antwort, so die Studie, ist weniger bei den Zieseln selbst zu suchen – sondern bei den Wühlmäusen.

Mehr Angebot, mehr Appetit?
Doch zunächst: Was hat dieses überraschend räuberische Verhalten der Ziesel, die im weit entfernten Westen der USA heimisch sind, mit Österreich zu tun? Nun, mehr, als man vermuten könnte. Denn vor diesem – neuen – Hintergrund muss auch das Verhalten der Europäischen Ziesel, die in Österreich heimisch sind, hinterfragt werden. Warum genau? Dazu gleich mehr. Sehen wir uns zunächst die Sache mit den Wühlmäusen an:
Die Population an Wühlmäusen explodiert – und man weiß nicht, warum. Die Forschungsgruppe vermutet jedoch, dass gerade dieses Überangebot an Wühlmäusen die Erdhörnchen dazu animiert, sie als neue Beute zu entdecken. „Der Überfluss an Wühlmäusen in diesem Sommer hat zu einer neuen Nahrungsnische für die Ziesel geführt“, schreibt Jennifer Smith von der University of Wisconsin in einer Aussendung.
Als Erstautorin der im „Journal of Ethology“ veröffentlichten Studie gibt sie sich in der Aussendung durchaus überrascht: „Das ist das erste Mal, dass wir von Anfang bis zum Ende ein aktives Jagdverhalten bei Zieseln beobachten konnten.“ Was auch immer der Grund für diese neue, nun ja, Ernährungsweise ist, die weiterführende Frage lautet: Bringt diese Entwicklung Gefahren mit sich?
Eine neue Rolle im Ökosystem?
Was die Studie feststellt: Ziesel scheinen flexibel auf eine sich verändernde Natur reagieren zu können.
Das ist in Zeiten des Klimawandels prinzipiell keine schlechte Nachricht. Aber: Sollten sie in Zukunft Blut geleckt haben und sich als Prädatoren innerhalb eines Öko-Systems etablieren, müsste ihre Rolle innerhalb dieses neuen Ökosystems neu bewertet werden. In Kalifornien ist das Kalifornische Ziesel – im Gegensatz zur Europäischen Ziesel in Österreich – nicht bedroht. Es wird jedoch von vielen Landwirtinnen und Landwirten als Schädling wahrgenommen und daher bejagt. Sollte es sich in Zukunft jedoch verstärkt an Wühlmäusen und weniger an Pflanzen von Ackerflächen vergreifen, würde es den Landwirtinnen und Landwirten mehr nutzen als schaden, da Ziesel sich als wichtiger Regulator für Kleinsäuger – wie eben die Mäuse – herausstellen könnten.
Um klarer zu sehen, wird es, so viel steht fest, jedenfalls noch einige Studien brauchen. Und den wachen Blick der Jägerschaft. So weit Kalifornien auch entfernt sein mag, Studien wie diese zeigen: Die Tierwelt kann sich jederzeit auch hier verändern. Und diese Veränderungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Natur, auf andere Tiere und auf Landwirtinnen und Landwirte. Sondern auch auf Jägerinnen und Jäger – und ihre Rolle in unserer Gesellschaft.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: © Pixabay
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at
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