Ein Spiel auf Zeit: die Tradition des Bartbindens
Bernd Pichlkastner kennt sein Handwerk. Er ist einer der wenigen in Kärnten, die das traditionelle Bartbinden von Gams, Hirsch, Dachs oder Hase usw. beherrschen. Im Interview verrät er, wie es gelingt.
HANDWERK
BARTBINDEN
Zum ersten Mal bringst du Interessierten im Bartbinder-Kurs bei, wie diese Art der Trophäe entsteht. Wie hast du dir das Handwerk angeeignet?
Mir hat es mein Vater als Berufsjäger beigebracht und er lernte es wiederum von seinem Jagdkollegen. Das Bartbinden ist eigentlich schnell erklärt. Mit der Routine kommt dann der Feinschliff. Aufträge nehme ich aber schon länger keine mehr an. Wem ich eine Freude bereiten will, der darf mir die gesammelten Barthaare bringen. Insgesamt bin ich dafür, dass die Jägerinnen und Jäger die Sache selbst in die Hand nehmen. Deswegen auch der Kurs vor Kurzem in Feldkirchen. Dort ging es ums Rupfen, Sortieren und Binden.
Starten wir beim ersten Arbeitsschritt. Worauf muss man beim Rupfen der Haare achten?
Wenn etwas schiefgehen kann, dann passiert es meistens direkt am erlegten Wild beim Rupfen. Jedes Haar ist unterschiedlich und muss dementsprechend vorsichtig entnommen werden. Hirschbart ist relativ lang, Sauporsten dafür kräftig und Gamshaar hohl. Das sind die klassischen Wildarten, bei denen die Barthaare gerupft werden. Hier sollte man ausschließlich mit dem Haarwuchs gehen und das Barthaar gerade herausziehen. Wer den Gamsbart knickt, egal ob noch auf der Decke oder bereits in der Hutnadel, der bekommt ihn aufgrund der hohlen Struktur nie wieder gerade.
Dachsbalg ist anders. Er muss in jedem Fall geschoren werden, da seine Haare mit kleinen Widerhaken an der Wurzel bestückt sind. Im äußersten Notfall könnte man auch die Gamsdecke rasieren, dann wird der Bart selbstverständlich kürzer. Meistens leidet daran aber nur die Prestige – so sagt man. Das Wichtigste ist, beim Entnehmen der Haare vorsichtig vorzugehen. Wer hier nachlässig arbeitet, dem wird es beim fertig gebundenen Bart auffallen.
Gamsbart in gut
20 Arbeitsstunden
Wie viel Zeit verstreicht beim Sortieren der Haare?
Das hängt von der Aufbewahrung der Barthaare ab. Wer die Barthaare nach dem Rupfen gut lagert – das heißt trocken, gerade und in Wuchsrichtung geordnet einwickelt oder in ein Buch presst – erspart dem Bartbinder einiges an Arbeit. Verbogene Gamshaare, die ungeordnet im Schachterl angeliefert werden, sind unmöglich zu sortieren und meistens auch nicht mehr zu reparieren.
Trotz gut archivierter Barthaare braucht die Fertigung eines Gamsbartes gute 20 Arbeitsstunden. Das Sortieren nach Länge nimmt dabei am meisten Zeit ein.
Je nach Dichte des Bartes entstehen circa 120 Büschel mit je 30 bis 40 gleich langen Barthaaren. Die fertigen Büschel werden zuerst begradigt und wieder der Größe nach sortiert. Erst dann beginnt das eigentliche Binden des Bartes.
Bartbinden: Welches Werkzeug ist erforderlich?
Setzt du auf besonderes Werkzeug oder Fingerspitzengefühl?
Meine wichtigsten Werkzeuge fürs Bartbinden sind Konzentration, Geduld und ein gutes Sehvermögen.
Sind alle Barthaare eines Gamsbartes zum Beispiel per Hand sortiert, muss der Reif – der weiße Rand am oberen Ende der Gamshaare – einen einheitlichen Strich am zusammengefassten Bart ergeben. Wenn es hier Abweichungen gibt, wurde höchst wahrscheinlich ungenau sortiert. Um das zu vermeiden habe ich Pinzetten, Kämme und Glasröhrchen oder gebogene Metallblätter. Damit lassen sich die Haarwurzeln besser zusammenstoßen. Der Rest ist Erfahrung, Genauigkeit und Zeit.
Vom Bart zur Trophäe
Das eigentliche Binden ist dann der letzte Schritt, oder?
Ja, *lacht* jetzt wird endlich gebunden. Wenn alle Haarbündel beisammen sind, beginnt man mit dem kürzesten im Haken am oberen Ende der Säle. Das ist ein Metallstift, an und um den die einzelnen Bündel mit einem reißfesten Faden geschnürt werden. Ab dann wird meistens zentrisch – also im Kreis – mit immer länger werdenden Haarbüscheln weitergebunden. Zwischendurch fasse ich den Bart zusammen, um zu überprüfen, ob der Reif zusätzlich eine gerade Oberfläche bildet. Nur dann wird es beim Endergebnis ein stufenloser, halbrunder Bart. Ganz zum Schluss, wenn das längste Haarbüschel befestigt ist, wird der Sälenstil einmal komplett mit Faden umwickelt oder in farbigen Filz eingefasst. Danach stecke ich den Bart in eine Hülse mit Hutnadel und fertig ist die Trophäe.
Barttragen ist
Brauchtum & Mode
Barttragen ist Brauchtum aber auch Mode. Gibt es beim Gams-, Hirsch oder Dachsbart Trends?
Von Trends würde ich hier nicht sprechen. Ich zum Beispiel habe meinen Dachsbart am Werktagshut. Sonntags darf es dann wieder der große Gamsbart sein. Man muss selbst abschätzen, ab welcher Größe der Hirsch- oder Gamsbart unpraktisch zu tragen ist.
Klassisch, zeitlos und fesch ist jeder eingefasste Bart. Das bedeutet aber nicht, dass man hier nicht auch auf Farbe setzen kann. Grün wirkt am Jagdhut eher schlicht. Ein edles Rot oder zartes Rosa bei Jägerinnen gibt meiner Meinung nach als Blickfang schon etwas her. Letztendlich liegt die Farbwahl aber am eigenen Geschmack und genau das freut mich. Das beweist, dass der Bart am Hut jeder Jägerin und jedem Jäger stehen kann und die Tradition dadurch noch lange erhalten bleibt.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: © Bernd Pichlkastner
Autor für diesen Beitrag: Gloria Horn / Jagdfakten.at
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