Alexander Profous, Wiener Lederwarentradition - Jagdfakten.at informiert

Der Hüter der Hirschledertradition:

In einer kleinen, unscheinbaren Seitengasse im ersten Bezirk befindet sich ein Geschäft, das einzigartig ist in Wien: In seinem kleinen, feinen Laden fertigt Alexander Profous seit 30 Jahren Lederhosen und Lederbekleidung vom Feinsten. Ein Porträt eines Handwerkers mit Leidenschaft:

HIRSCHLEDERHOSE
HANDWERK AUS WIEN

Auf dem Weg zu Alexander Profous’ Geschäft und Werkstatt fühlt man sich fast ein wenig in eine andere Zeit versetzt. In der schmalen Grünangergasse, versteckt im alten Universitätsviertel des ersten Wiener Gemeindebezirks, baumelt über dem Eingang ein auffälliges Schild: eine stilisierte Lederhose aus Holz, die schon von Weitem signalisiert, was sich hinter den historischen Mauern verbirgt. Und betritt man erst den Laden, umhüllt einen sofort der warme, unverkennbare Duft von Leder. Da und dort steht eine Puppe mit kunstvoll bestickten Jacken oder Hosen, während noch unfertige Stücke auf ihre Vollendung warten. Dieser Ort ist weit mehr als ein Geschäft – hier lebt ein jahrhundertealtes Handwerk, das mit Leidenschaft, Präzision und Hingabe am Leben erhalten wird.

Eine Familie
und ihr Handwerk

„Mein Vater war Säcklermeister und Handschuhmacher“, erzählt Alexander Profous, der mit seiner Mitarbeiterin, ebenfalls Säcklermeisterin, im Nebenraum an seinen Kreationen arbeitet, umgeben von Lederresten und Werkzeugen. Während sie an der Nähmaschine sitzt, zieht er jenen typisch grünen Faden durch die Nadel, mit dem er gleich eine Lederhose besticken wird. Doch was heute selbstverständlich ist, war es früher nicht. „Ich war ein später Lehrling“, sagt Alexander Profous lachend, „weil ich davor AHS-Versuche gestartet habe. Aber das war nicht so meins, ich war irgendwie antriebslos in der Zeit, obwohl ich meinen Vertrag dort oft verlängert hab. Schließlich habe ich mich entschieden, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten.“

Seine Ausbildung absolvierte er also in der Werkstatt seines Vaters im neunten Bezirk, bevor er Anfang der 1990er-Jahre seinen Meister und sich am Währinger Gürtel selbstständig machte. „Damals war mein Vater nicht gerade begeistert. Er hätte mich eher als Buchhalter gesehen“, erzählt er schmunzelnd. Doch Alexander blieb seiner Leidenschaft treu und entwickelte das Geschäft weiter. Während sein Vater, der vor allem Mode und unter anderem für Helmut Lang fertigte, nur wenige Lederhosen im Jahr herstellte, schafft es Alexander heute, diesen Aufwand in einer Woche zu bewältigen. „Das ist einfach ein wunderbares Material, das einem erlaubt, unglaublich präzise und schön zu arbeiten.“

Handarbeit in jeder Naht

 

Eine Hirschlederhose aus der Werkstatt von Alexander Profous ist nicht einfach ein Kleidungsstück – sie ist ein Meisterwerk der Handarbeit.

„Für eine einfache Hose braucht es einen ganzen Hirsch, ich sitze circa drei Tage lang dran. Alles, wirklich alles, wird von Hand gemacht“, erklärt er. Die Stickereien, die das Herzstück einer traditionellen Lederhose ausmachen, fertigt er selbst – Faden für Faden. Auch jetzt während des Interviews sitzt er mit ruhiger Hand da – und stickt und stickt und stickt. „Für das eigentliche Nähen der Hose verwenden wir heute Polyesterfäden, weil sie langlebiger sind. Der klassische Zwirn hält einfach nicht ewig.“ Das ist aber auch schon das einzige Zugeständnis an die moderne Welt, ansonsten bleibt alles so, wie es seit Jahrzehnten gemacht wird: „Die Technik hat sich nicht verändert. Es ist Handarbeit, wie sie im Mittelalter schon gemacht wurde.“

Das ausschließlich sämisch gegerbte Leder, das Alexander verarbeitet, kommt aus ausgewählten Gerbereien. „Viele davon gibt es nicht mehr, wir arbeiten mit drei Betrieben zusammen – eine sitzt in Eferding, eine in Werfen und eine in Gröbming.“ Die Rohware, also das Hirschleder, kommt aus Österreich und dem nahen Ausland, aber auch aus Neuseeland. Und das hat seine Gründe: „In Neuseeland gibt es keine Zecken, die Hirsche dort werden in Gattern gehalten. Dadurch ist das Leder sauberer.“

Zwischen Tradition und Innovation

Trotz der starken Verwurzelung in der Tradition scheut sich Alexander nicht davor, moderne Anpassungen vorzunehmen: „Wir haben die klassischen Schnitte etwas modernisiert. Die Hosen sitzen jetzt etwas tiefer und sind an die heutige Ästhetik angepasst.“ Doch diese Veränderungen sind dezent – die Essenz der Hirschlederhose bleibt erhalten. Und erfreut sich großer Beliebtheit.

„Die Nachfrage hat sich in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Früher war es eine Randerscheinung, heute ist es wieder modern, Tracht zu tragen“, sagt Alexander. Doch nicht nur Festtagskleidung verlässt seine Werkstatt. „Wir fertigen auch Jagdhosen, die weniger bestickt sind, dafür robust und funktional.“ Diese Hosen sind oft kniehoch und für Stiefel gedacht, ein Klassiker für Jagdgesellschaften.

Eine sterbende Kunst?

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Wien noch rund 300 Säcklerbetriebe, heute gibt es in der Bundeshauptstadt nur noch den von Alexander Profous. „Das zeigt schon, wie stark dieses Handwerk zurückgegangen ist. Das lag sicher nicht daran, dass all diese Menschen unfähig waren, sondern daran, dass die Nachfrage einfach abgenommen hat“, erklärt er. Ein entscheidender Wendepunkt war das Aufkommen der Jeans: „Es gab damals eigentlich keine Alternative. Die traditionellen grauen Rindlederhosen hat man als Kind bis ins Erwachsenenalter getragen. Aber dann kamen die Jeans, und mit ihnen ein ganz neuer Stil.“

Auch er selbst hat diese Veränderung miterlebt. „In der Volksschule bin ich noch stolz in Hirschlederhosen herumgelaufen – sehr zur Freude meines Vaters. Doch dann kamen die ersten Kinder mit Jeans und Comic-T-Shirts im 18. Bezirk, und da war es natürlich der Super-GAU, in Lederhosen danebenzustehen.“ Doch statt sich gegen den Wandel zu stellen, fand sein Vater eine kreative Lösung: „Er hat uns schwarze Rindslederjeans gemacht, und damit waren wir wieder vorne mit dabei.“ Ein Sinnbild für die Anpassungsfähigkeit des Handwerks – damals wie heute.

„Natürlich macht man sich Sorgen, ob so ein Handwerk überhaupt überleben kann“, gibt Profous offen zu. „In meiner Berufsschulklasse waren wir nur fünf, heute gibt es kaum noch Lehrlinge.“ Dennoch hat er selbst einige junge Handwerker ausgebildet, ist Prüfer in Wien. Der Andrang ist aber überschaubar. „Es ist schade, weil so viel Wissen verloren geht. Aber ich hoffe, dass die Begeisterung für dieses Handwerk bestehen bleibt.“

Die Qualität seiner Arbeit hat sich längst herumgesprochen: Der Kundenkreis reicht von prominenten Kunden bis hin zur Spanischen Hofreitschule, deren weiße Hirschlederhosen ebenfalls aus seiner Werkstatt stammen. „Die sind besonders aufwendig, da sie ohne Fehler sein müssen. Dafür verwenden wir ausschließlich Leder aus Neuseeland, weil es makellos ist.“

Ein Handwerk für die Ewigkeit
Was treibt ihn an?

„Die Handarbeit ist so etwas wie Yoga für mich“, sagt Alexander mit einem Lächeln. „Die Arbeit erfordert absolute Präzision, aber sie beruhigt auch.“

Und die Ergebnisse sprechen für sich: Jede Hose ist ein Unikat, gefertigt nach Maß und den individuellen Wünschen der Kunden. Vom Leder bis zum Knopf wird alles sorgfältig ausgewählt. „Manche Kunden bringen sogar ihr eigenes Material mit – etwa Leder von einem selbst erlegten Hirsch.“ Die Kosten für eine Lederhose nach Maß liegen bei rund 1.700 Euro.

Ein Ausblick mit Hoffnung

Obwohl Profous’ Kinder andere Wege eingeschlagen haben, bleibt er optimistisch. „Vielleicht übernimmt ja irgendwann einer meiner Lehrlinge das Geschäft. Aber bis dahin mache ich einfach weiter.“ Und mit jedem neuen Stück schreibt Alexander Profous ein weiteres Kapitel in der Geschichte eines Handwerks, das heute rar geworden ist – aber nichts von seiner Faszination verloren hat.

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Bildquellen für diesen Beitrag: © Uschi Macher
Autor für diesen Beitrag: U. Macher | Jagdfakten.at

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