Dr. Miroslav Vodnansky veröffentlichte eine wildbiologische Stellungnahme zum Thema „Beurteilung der jagdlichen Bewirtschaftung des Wildes in umfriedeten Jagdgebieten bezüglich der natürlichen Bedürfnisse und Eigenschaften der gehaltenen Tiere und im Hinblick auf die Wildbretqualität“.  Diese Stellungnahme bezieht sich auf Vorarbeiten, die im Rahmen einer Studie zur Wildbret-Qualität von Dr. Peter Paulsen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien durchgeführt wurden.

Jagdfakten traf Dr. Vodnansky zum Interview.

Jagdfakten: Herr Dr. Vodnansky, umfriedete Jagdgebiete, auch Jagdgatter genannt, stehen zurzeit wieder im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Viele Tierschützer bezeichnen diese Haltung von Tieren als reine Tierquälerei.

In Ihrem wildbiologischen Gutachten, das es auf europäischer Ebene erstmals zu diesem Thema gibt, beurteilen Sie die jagdliche Bewirtschaftung des Wildes in umfriedeten Jagdgebieten bezüglich der natürlichen Bedürfnisse und Eigenschaften der gehaltenen Tiere und im Hinblick auf die Wildbretqualität.

Welche natürlichen Bedürfnisse hat das Wild und was ist für sein Wohlergehen wichtig?

Vodnansky: Um dies beurteilen zu können, muss zuerst festgestellt werden, was für das Wohlergehen der Tiere entscheidend ist. Zwischen den einzelnen Tierarten bestehen dabei Unterschiede, wie angeborene Verhaltensweisen, biologische und physiologische Eigenschaften, die objektiv zu beurteilen und zu berücksichtigen sind. In den umfriedeten Jagdgebieten wird am häufigsten Schwarzwild gehalten. Weitere häufig gehaltene Wildarten sind das Rotwild, Damwild und Muffelwild. In der Wildbiologie sind die wichtigsten Bedürfnisse dieser Wildarten klar definiert: Die artgerechte Nahrung, ausreichender Klima- und Sichtschutz sowie ausreichend Ruhe.

Diese Ruhe ist vor allem deshalb wichtig, da sie den Tieren einen richtigen Ablauf der physiologischen Prozesse in deren Organismus ermöglicht. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Tiere sich ständig und ausschließlich in einem Ruhezustand befinden müssen. Das wäre kein natürlicher Zustand, denn auch in der von Menschen nicht beeinflussten Natur werden die Wildtiere immer wieder Beunruhigungen ausgesetzt. Der damit verbundene Stress hat keine negativen Auswirkungen auf den Organismus, sofern er dessen Reaktionsfähigkeit nicht übersteigt und zeitlich begrenzt ist. Die Wildtiere sind an die Bewältigung von kurzfristigen Stresssituationen gut angepasst, da sie sich mit ihnen im Laufe der Evolution ständig auseinandersetzen mussten.

Darüber hinaus ist eine weitere Voraussetzung für das Wohlergehen der Wildtiere die Möglichkeit der sozialen Kontakte und Bindungen innerhalb der jeweiligen Art sowie auch die Möglichkeit der Kontakte mit den potentiellen Paarungspartnern.

Jagdfakten: Wie ist die Haltung von Wild in den umfriedeten Jagdgebieten in Bezug auf seine natürlichen Bedürfnisse zu beurteilen?

Vodnansky: Ob und wie die Bedürfnisse des Wildes in Gattern tatsächlich abgedeckt werden, ist von den jeweiligen Bedingungen abhängig. Grundsätzlich gilt aber, dass die Einzäunung für das Wild kein Problem darstellt, sofern es in dem eingezäunten Lebensbereich eine artgerechte Nahrung in genügender Menge und Qualität, geeignete Deckung als Sicht und Klimaschutz und erforderliche Ruhe hat. Die eingeschränkte Bewegungsfreiheit spielt bei den Wildtieren keine besondere Rolle, sofern sie in dem ihnen verfügbaren Raum alle ihre Bedürfnisse ausreichend befriedigen können. Dass die Wildtiere innerhalb der Einzäunungen leben und gedeihen können, beweist auch die über mehrere Jahrhunderte lange Tradition der Gatterhaltung.

Jagdfakten: Wie ist es mit den Lebensbedingungen des Wildes in umfriedeten Jagdgebieten im Vergleich zu den freien Jagdgebieten?

Vodnansky: Der prinzipielle Unterschied zwischen der jagdlichen Bewirtschaftung in den umfriedeten Jagdgebieten und den „freien“ Jaggebieten liegt darin, dass in den umfriedeten Jagdgebieten die Nutzung des Wildes als eine Form der Landnutzung im Einklang mit dem Jagdrecht im Vordergrund steht, während in den „freien“ Revieren meistens die Regulierung der Wildbestände zur Vermeidung bzw. Minderung der Wildschäden die oberste Priorität hat. Sowohl für die umfriedeten Jagdgebiete als auch für die „freien“ Jaggebiete ist das Jagdrecht relevant und in beiden wird der Umgang mit dem Wild durch für jedes Bundesland eigene Jagdgesetze geregelt.

Für das Wild liegt der wesentliche Unterschied darin, dass es zwar in den umfriedeten Jaggebieten in einem durch feste Einzäunung abgegrenzten Lebensraum lebt, in diesem jedoch oft wesentlich mehr Ruhe hat als im Freien.

In den meisten „freien“ Jagdgebieten ist der Zwang zur Regulierung der Wildbestände mittlerweile sehr groß, sodass der Jagddruck während der zeitlich ausgedehnten Schusszeiten extrem stark ist. Das wirkt sich auf alle im demselben Lebensraum lebenden Wildarten negativ aus, denn durch die Bejagung einer bestimmten Wildart wird auch das andere Wild beunruhigt. Zusätzlich dazu kommt auch die vielfältige intensive Landschaftsnutzung durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Verkehr und erholungsuchende Menschen, was die Beunruhigung des Wildes noch weiter erhöht. Dadurch entsteht eine kumulative Wirkung von verschiedenen Stressfaktoren. Das hat beim Wild eine gravierende Störung des Lebensrhythmus, des Verhaltens und der biologischen sowie physiologischen Prozesse zur Folge.

In Wirklichkeit lebt das Wild in der heutigen Kulturlandschaft unter permanentem (chronischen) Stress in einem stark fragmentierten Lebensraum mit zahlreichen sichtbaren und unsichtbaren Barrieren.

In den umfriedeten Jagdgebieten kann mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse des Wildes genommen werden als im Freien, denn bei ihnen steht das Wild mehr im Vordergrund und entfällt der starke Regulierungszwang.

Jagdfakten: Gibt es einen fachlich nachgewiesenen Unterschied zwischen dem Wildbret aus den umfriedeten und freien Jagdgebieten?

Vodnansky: Es wird manchmal die Hypothese verbreitet, dass das Wildbret aus den umfriedeten Jagdgebieten qualitativ minderwertig sei, da in diesen meistens das Wild bei den Bewegungsjagden erlegt wird und der damit verbundene Stress zur Minderung der Wildbretqualität führe.

Durch die enge Korrelation zwischen der Fleischqualität und dem Stress ergibt sich die Möglichkeit bei der Bewertung der Wildbretqualität anhand exakt messbarer Parameter (pH-Wert, Wasserhaltevermögen) auch Rückschlüsse auf das Ausmaß der Stressbelastung des Wildes vor dem Erlegen zu erhalten.

Trotz zahlreicher Studien, die sich mit dem Thema Wildbretqualität befassten, gibt es keine wissenschaftlich fundierten Ergebnisse, die belegen würden, dass das Wildbret vom Wild aus umfriedeten Jaggebieten bei den exakt messbaren Qualitätsparametern von Wildbret aus freien Natur abweichen würde. Im Gegenteil hat eine an insgesamt 151 bei mehreren Jagden erlegten Wildschweinen durchgeführte Untersuchung die manchmal vertretene Hypothese, dass Wild aus Gehegen generell einer höheren Stressbelastung als in der freien Natur bei der gleichen Jagdmethode (Bewegungsjagd) ausgesetzt wäre, nicht bestätigt.

Auch wenn die angeführten Ergebnisse bei einer ausreichend repräsentativen Anzahl von Untersuchungsproben gewonnen wurden, besteht trotzdem in dieser Hinsicht ein weiterer Forschungsbedarf, bei dem es aber nicht nur um die umfriedeten Jagdgebiete geht, sondern generell um die Auswirkungen der einzelnen Jagdmethoden auf die Wildbretqualität. Diese Frage ist für die Beurteilung des Wildbrets aus freier Natur genauso relevant.

Wildbiologische Stellungnahme zum Nachlesen

Dr. Miroslav Vodnansky
Geboren am 28.3.1958 in Tábor (Tschechien), Veterinärmedizinisches Studium in Brünn mit Promotion 1982, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Jagd und Forstwirtschaft in Prag. 1984 Nostrifikation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, 1985 bis 1997 wissenschaftlicher Assistent am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
1997 Errichtung der Internationalen Forschungsstelle für Wildtierernährung und Wildtierökologie in Nitra in der Slowakei. Von 1999 bis 2014 Leitung des damals neu gegründeten Instituts für Wildtierökologie an der Veterinärmedizinischen und Pharmazeutischen Universität in Brünn. Seit 2003 Vorstandsvorsitzender des grenzüberschreitend wirkenden Mitteleuropäischen Instituts für Wildtierökologie mit dem Hauptsitz in Brünn und Standorten in Wien und Nitra.
Herausgeber von mehreren Büchern und Autor von mehr als 500 Fachartikeln auf dem Gebiet der Wildökologie und Wildbewirtschaftung.