GAMSWILD
Ein kurzer Steckbrief
Name: Gämse (rupicapra rupicapra) oder Gams,
männlich: Gamsbock,
weiblich: Gamsgeiß,
Heranwachsende: Geißjährling, Jährlingsbock, Bockjährling
Jungtiere: Bockkitz, Geißkitz
Tierfamilie: Haarwild, Schalenwild, Hornträger, Ziegenartige
Größe: Kopf-Rumpf-Länge 110–130 cm, max. Schulterhöhe 85 cm, Schwanzlänge bis 8 cm
Gewicht: 25–40 kg (Weibchen) bzw. 35–50 kg (Männchen)
Brunftzeit: Ende Oktober bis Anfang Dezember
Trächtigkeitsdauer: 26 Wochen
Setzzeit (Wurfzeit): Mai bis Juni
Junge: 1 Kitz, selten 2 oder max. 3
Aktivitätszeit & Lebensraum
Gamswild ist hauptsächlich tagaktiv, wobei sich die Äseperioden im Sommer in die Morgen- und späten Nachmittagsstunden verlagern.
Gamswild bewohnt in verschiedenen Unterarten die Gebirge Süd- und Mitteleuropas, Kleinasiens sowie den Kaukasus. Die Alpen stellen das größte geschlossene Verbreitungsgebiet dar. In unseren Breiten besiedeln sie Lebensräume von der alpinen Zone bis ins Mittelgebirge. Dabei werden auch in tieferen Lagen nicht so leicht zugängliche Freiflächen und Felspartien deutlich bevorzugt. In höheren Lagen sucht Gamswild gern offene Flächen mit ausreichend Äsung auf, wie alpine Matten, Almwiesen oder auch steile bewachsene Berghänge. Es kommt bis auf ca. 3.000 m Seehöhe vor.
Doch auch Bergwälder mit ausreichend steilen bzw. felsigen Partien bieten Lebensraum fürs Gamswild. Ein Teil des Gamswildes wechselt regelmäßig zwischen Hochlagen und Bergwald. Oberhalb der Waldgrenze wird, entsprechend der Witterung und der Äsungsbedingungen, auch häufig zwischen Sonn- und Schattenseiten gewechselt.
Aussehen & Merkmale:
Das Gamswild hat einen kräftig und gedungen wirkenden Körperbau und ist damit perfekt an ihren bevorzugten Lebensraum, das felsige Gelände, angepasst. Es hat lange Beine, relativ große Hufe, einen schlanken Hals und einen kurzen Kopf. Beide Geschlechter tragen Hörner (Krucken), die bis zu 25 cm lang sein können, an der Wurzel kreisförmig eingekerbt, gerade aufsteigend und an der Spitze rückwärts gebogen sind. Gämsen werfen die Krucken nicht ab.
Was ist der Unterschied zwischen Horn und Geweih?
Die einfachste Unterscheidung ist die Folgende: Das Geweih wird jedes Jahr abgeworfen und wächst jedes Jahr wieder neu; Hörner wachsen ein Leben lang weiter. Zudem unterscheiden sich die beiden im Aufbau: Geweihe bestehen aus Knochensubstanz, das Gehörn – wie der Name schon sagt – aus Hornsubstanz.
Geübte können bereits an der Krucke erkennen, ob es sich bei einer Gams um einen Gamsbock oder eine Gamsgeiß handelt. Dafür gibt es zwei Indizien. Zum einen die Stärke (Umfang) des eigentlichen Horns (den sogenannten „Schlauch“) und zum anderen die Krümmung der Krucke. Beides, Schlauch und Krümmung, in der Weidmannsprache auch Hakel genannt, sind bei männlichen Tieren stärker.
Das Fell der Gämse ist im Sommer farblich zwischen einem fahlen Gelb und einem gelblichen Grau. Vom Maul (Äser) bis zum Ohr (Lauscher) verläuft beidseitig ein schwarzer Streifen, auch „Zügel“ genannt. Auch die Läufe haben eine dunkle Färbung. Im Winter ist die Gämse schwarzbraun bis schwarz, nur Stirn, Wangen und die Innenseite der Lauscher sind blassgelb bis hellgelb.
Eine Besonderheit bei der Gams ist die Fähigkeit ihre Schalen, also ihre Klauen oder Fußenden stark zu spreizen, was beim Klettern im steilen Gelände, aber auch im Schnee sehr vorteilhaft ist.
Der Gamsbart, der keiner ist.
Der sogenannte Gamsbart wächst nicht, wie der Namen glauben lässt, am Haupt oder Kinn des Gamsbocks, sondern an dessen Rücken. Die Barthaare dienen ihm zur Vergrößerung der Körperkontur. Diese Haare können bis zu 20 Zentimeter lang werden und wachsen entlang des Rückgrats. Sie können zum Imponieren aktiv aufgerichtet werden und lassen den Gamsbock von der Seite betrachtet dadurch größer erscheinen.
Ernährung:
Was frisst eine Gams?
Im Sommer überwiegen Gräser und Kräuter deutlich. Im Winter, wenn Gräser zum Beispiel aufgrund der Schneelage schwerer erreichbar sind, werden je nach Lebensraum mehr Zwergsträucher, z.B.: Almrausch, altes Gras, Laub, sowie Triebe von Nadel- und Laubbäumen aufgenommen. Aber auch Moose und Flechten stehen in der kalten Jahreszeit am Speiseplan.
Gämsen sind als „Ziegenartige“, wie alle Ziegen, Wiederkäuer, haben also einen mehrteiligen Magen.
Fortpflanzung & Brunft:
Die Brunft findet im Zeitraum von Ende Oktober bis Anfang Dezember statt. Nach einer Tragezeit von rund einem halben Jahr (etwa 26 Wochen) wird Ende Mai, Anfang Juni im Normalfall ein Kitz gesetzt. Zwillings- oder gar Drillingsgeburten sind sehr selten. Die Kitze werden etwa bis zur Brunft im Herbst gesäugt. Gamsgeißen und Jungtiere leben in Rudeln von 15 bis 30 Tieren, wohingegen Gamsböcke eher Einzelgänger sind. Der engste Zusammenhalt besteht naturgemäß zwischen der Gamsgeiß und ihrem Kitz. Aber auch Jahrlinge schließen sich einige Wochen nach der Setzzeit wieder ihren Müttern an.
Gamsgeißen werden mit 2,5 – 3,5 Jahren geschlechtsreif. Gamsböcke sind früher, nämlich bereits im zweiten Jahr geschlechtsreif, nehmen aber erst ab rund fünf Jahren erfolgreich an der Brunft teil.
Während der Brunft stehen meist zwei oder drei Böcke bei einem Rudel. Dabei verteidigen die sogenannten Platzböcke einen bestimmten Geländeabschnitt, der sich mit dem bevorzugten Aufenthaltsort der Geißen, dem Brunftplatz, deckt. Hochbrunftige Gamsgeißen werden von den Böcken besonders aufmerksam beobachtet. Die Hitze (Begattungsbereitschaft) eines weiblichen Tieres dauert nämlich nur 1-2 Tage. Kommt es in diesem kurzen Zeitraum zu keinem Beschlag (Paarung), so wird die Geiß drei Wochen später noch einmal empfängnisbereit. Die Bemühungen des Bocks nehmen oft lange Zeit in Anspruch, da die Weibchen zunächst keinen Körperkontakt dulden.
Bevor die Böcke ihre Paarungsreviere bezogen haben, kommt es auch bei den Gämsen zum Schaulaufen und zu Kämpfen. Schon vor der eigentlichen Brunftzeit positionieren sie sich an übersichtlichen, exponierten Stellen. Ihr Interesse gilt dabei aber noch nicht den Weibchen, sondern ausschließlich den anderen Böcken. Es geht darum sich zu zeigen. In dieser Zeit, aber auch während der Brunft sind Böcke untereinander unverträglich.
Zwischen annähernd gleich starken Böcken kann es daher zu rasanten Hetzjagden kommen. Dabei kommen dann auch die Krucken als gefährliche Waffen im Nahkampf zum Einsatz.
Allgemeines:
Gämsen haben einen sehr gut ausgeprägten Gesichtssinn. Bewegungen werden selbst auf größte Entfernungen erkannt. Ihre Lichter (Augen) sitzen seitlich am Haupt, wodurch der tote Winkel sehr klein wird. So wird man von einer Gams selbst dann sehr bald wahrgenommen, wenn man sich dem Tier von hinten nähert. Aber auch sonst haben sie eine sehr sensible Wahrnehmung: Sie vernehmen (hören) und winden (riechen) ausgezeichnet.
Nach großen Bestandseinbrüchen während den Weltkriegen und in der Zwischenkriegszeit haben sich die Gamswildbestände zwischen den 50er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder erholt und nahezu verdreifacht. Seitdem ist der Bestand wieder zurückgegangen, aber immer noch rund doppelt so hoch als vor rund 70 Jahren. Ein Grund für den Rückgang sind etwa der überbordende Massentourismus im Winter und die Klimaveränderung. Schipisten und beliebte Routen für Schitouren stören nicht nur die wichtige Ruhe der Tiere in der kalten Jahreszeit, in der die Kräfte aufgrund des Nahrungsmangels sowieso schwinden, sondern treiben viele Tiere in unwegsame Regionen mit wenig Futtermöglichkeiten. Dort sind dann oft Lawinenabgänge oder selbst ausgelöste Schneebretter für das Ableben vieler Gämsen verantwortlich.
Wildtierarten wie Gams- und Steinwild haben sich im Laufe ihrer Evolution perfekt an das Leben in alpinen Regionen angepasst und sind somit Teile dieses sehr empfindlichen Ökosystems geworden. Bei einem allgemeinen Ansteigen der Waldgrenze aufgrund der Klimaerwärmung und regionalem Rückgang der Almbewirtschaftung verändert und verringert sich der Lebensraum dieser Wildtierarten massiv. Durch das Entstehen suboptimaler Lebensräume kommt es bei diesen Wildtieren zur Abnahme und zum Verschwinden einzelner Populationen, Verarmung genetischer Ressourcen, Schwächung der Abwehrlage und damit auch vermehrt zu Infektionskrankheiten und Parasitosen. Mehr zum Thema „Gamswild und der Klimawandel“ finden Sie in einem umfassenden Bericht des OÖ Jagdverbandes.
Feinde aus der Tierwelt sind vor allem der Luchs und teilweise auch der Wolf. Jungtieren droht vor allem aus der Luft Gefahr, denn der Steinadler erbeutet gelegentlich ein Kitz.
Weibliche Gämsen werden bis zu 20 Jahre alt, die Böcke zumeist 15 bis 18 Jahre.
Beobachtung von Gämsen:
Gamsgeißen und ihr Nachwuchs leben gesellig und schließen sich in Rudeln zusammen. Diese sind aus größerer Entfernung auf ihren bevorzugten Freiflächen oberhalb der Waldgrenze zu beobachten. Junge Böcke verlassen die Geißrudel und schließen sich zu kleinen Gruppen zusammen. Ältere Böcke sind meist Einzelgänger und halten sich gerne in deckungsreichen, tieferen Lagen mit guter Äsung auf und sind daher und wegen ihrer sehr guten Wahrnehmung schwerer zu beobachten.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: Jagdfakten.at/L. Molter
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