Seit einigen Jahren gibt es einen regelrechten Boom bei Trachtenmoden. Oktoberfeste finden nun nicht mehr nur in Bayern statt. Auch Wien hat zum Beispiel mit der „Wiener Wies´n“ seit Jahren ein eigenes Oktoberfest im Prater. Mit über 400.000 Gästen pro Jahr zählt die Veranstaltung längst zu den besucherstärksten in der Bundeshauptstadt.
Jagdfakten.at wollte ein wenig mehr über das Handwerk der Lederhosenerzeugung erfahren und hat mit dem renommierten Lederhosenschneider Christian Raich aus Bad Aussee gesprochen – hier finden Sie das Interview:
DIE LEDERHOSE
ist im Ausseerland eine Alltagstracht
jagdfakten.at:
Herr Raich, zuerst einmal herzlichen Dank für die freundliche Einladung in Ihre Werkstatt. Als geborener Städter bin ich nicht mit der Lederhose aufgewachsen, obwohl ich schon als kleiner Bub eine hatte wie Familienfotos belegen. Als gelernter und leidenschaftlicher Österreicher habe ich auch heute eine Lederhose, von einem Schneider in Salzburg, die mittlerweile über 20 Jahre alt ist und damals 12.000 Schilling gekostet hat. Im Supermarkt gab es zu der Zeit noch keine Lederhosen.
Christian Raich:
Konfektionsware – also Lederhosen von der Stange – gab es damals kaum und wenn, dann hatten die Hosen eine schlechte Qualität und eine miserable Passform. Bis vor ein paar Jahren haben praktisch nur Schneider und Schuster mit Leder gearbeitet. Das ist heute anders, heute haben wir ein sehr breites Angebot.
jagdfakten.at:
Warum ist das so, was hat sich seit damals geändert?
Christian Raich:
Das Ländliche ist zurzeit in. Einerseits gibt es überall im Land Veranstaltungen, wo Tracht getragen wird, ich denke da zum Beispiel an die Oktoberfeste. Andererseits haben Stars wie der Musiker Andreas Gabalier zu dem aktuellen Hype beigetragen. Das ist nichts Neues. Musiker haben immer schon die Mode mitbeeinflusst. Beim Gabalier kommt dazu, dass er die Lederhose sehr locker, als Alltagskleidung präsentiert, was ich persönlich sehr gut finde.
jagdfakten.at:
Ich muss gestehen, das hat mich anfangs fast ein wenig irritiert – Lederhose und Leiberl – geht das? Was meinen Sie?
Christian Raich:
Absolut.
«Im Ausseerland ist das zwar so nicht üblich, aber es ist durchaus möglich, ein- und dieselbe Hose mit unterschiedlichen Oberteilen zu kombinieren. Dadurch ist die Lederhose ein flexibles Kleidungsstück.
In anderen Gegenden des Alpenraumes ist das Tragen von Lederhosen durch die Vorgaben der Überlieferung eher strenger geregelt. In vielen Regionen wird das Tragen der Lederhose hauptsächlich von Trachtenvereinen oder Musikkapellen geprägt.»
Christian Raich, Lederhosenschneider aus Bad Aussee
Lederhose aus Handarbeit
oder Trachtensupermarkt?
jagdfakten.at:
Hand aufs Herz, können Sie die Lederhosen aus dem Trachtensupermarkt empfehlen?
Christian Raich:
Lassen Sie mich die Frage so beantworten: Otto Normalverbraucher erkennt den Unterschied kaum. Dazu muss man sich schon ein wenig mit der Materie beschäftigen.
jagdfakten.at:
Worin liegt dann der Unterschied?
«Die Hauptunterschiede liegen beim Leder, der Machart der Stickerei und beim Gerben. Das Leder für Konfektionsware kommt zum Großteil aus dem Osten, zum Beispiel aus Pakistan und ist meistens Ziegenleder. Die Stickereien sind maschinell gefertigt. Und da Naturschutz und Nachhaltigkeit in diesen Ländern kaum ernst genommen werden, werden beim Gerben Methoden angewandt, die bei uns nie erlaubt wären. Letztendlich entscheidet der Kunde, was er haben will.»
Christian Raich
jagdfakten.at:
Wo lassen Sie gerben?
Christian Raich:
Ausschließlich in Österreich. Ich habe da zwei, drei Betriebe, denen ich voll vertraue.
Jagdfakten.at:
Welches Leder verwenden Sie für die Fertigung von Lederhosen? Hirsch und Reh?
Christian Raich:
Wir verwenden ausschließlich Hirsch und Gamsleder. Rehleder wird heute fast nicht mehr für Lederhosen verwendet, weil es kaum noch Rehlederflecken in der notwendigen Größe gibt, die nicht löchrig sind. Das liegt an der Dasselfliege, die immer öfter ihre Larven unter die Haut von Wildtieren legt – leider. Und das wird mehr. Das hängt mit der Erderwärmung zusammen und kommt jetzt auch schon bei Hirschen vor. Zuerst nur beim Auhirsch, jetzt ab und an auch schon bei unseren Hirschen.
jagdfakten.at:
Sie haben zuvor die Stickerei erwähnt und betont, dass Konfektionshosen ausschließlich maschinell bestickt werden. Sticken Sie auch manchmal maschinell?
Christian Raich:
Früher haben wir das noch gemacht. Heute sticke ich nur noch händisch. Das ist den Kunden wichtig. Das gibt der eigenen Lederhose eine noch persönlichere Note.

jagdfakten.at:
Wie läuft eigentlich so eine Produktionskette bei Ihnen ab. Vom ersten Kontakt mit dem Kunden bis zur Übergabe der Hose?
Christian Raich:
Wenn der Kunde kommt, wird zuerst darüber gesprochen, in welchem Zeitraum er seine Hose haben will. Da wir alles ausschließlich händisch und nach Maß machen, braucht es schon seine Zeit, um eine Hose zu fertigen. Wenn das geklärt ist, dann wird Maß genommen. Danach wird über das Material und die Farbe der Hose und der Stickerei gesprochen. Unsere Hosen gibt es von helleren Brauntönen bis zum satten schwarz. Bei der Stickerei geht es um die Farbe der Seide. Und zu guter Letzt wird die Art der Stickerei geklärt. Dann gibt es in der Regel noch eine Probe und wenn wir fertig sind, informieren wir den Kunden.
jagdfakten.at:
Das klingt nach einem ordentlichen Aufwand. Wie viele Hosen schaffen Sie denn im Jahr und auf welche Wartezeit muss ich mich als potenzieller Kunde bei Ihnen einstellen?
Christian Raich:
Die Anfertigung einer Lederhose braucht doch eine gewisse Zeit. Eine mehrjährige Wartezeit, wie manchmal zu lesen ist, ist eher die Ausnahme. Aber Zeit muss man schon haben:
jagdfakten.at:
Kommen wir noch einmal zurück zu den Stickereien. Gibt es da sehr individuelle Wünsche? Zum Beispiel Jagdmotive bei Lederhosen für Jäger? Bei der Gravur von Jagdwaffen gibt es ja oft Jagdmotive.
Christian Raich:
Nein, das gibt es nicht. Das wäre auch nicht ausseerisch. Meine Stickmotive sind sehr traditionell. Mit extravaganten Wünschen bin ich selten konfrontiert. Und weil sie die Jäger erwähnt haben: Die Hosen die Jäger zum Jagen sich anfertigen lassen sind meistens schlicht gehalten. Wichtig ist bei solchen Hosen ein gutes, griffiges und widerstandsfähiges Leder.
jagdfakten.at:
Gibt es spezielle Anlässe, zu denen Männer zu Ihnen kommen, oder ist es die Alltagshose, die gekauft wird? Und woher kommen Ihre Kunden?
Christian Raich:
Unsere Kunden kommen fast hauptsächlich aus Österreich und sind ein bunter Querschnitt aus interessierten Leuten.
«Anlässe, um sich eine Lederhose fertigen zu lassen, sind natürlich eine Hochzeit, Abschluss einer Berufsausbildung, ein runder Geburtstag, oder ganz einfach, weil man schon lange eine möchte.»
Christian Raich
jagdfakten.at:
Gibt es auch Wiederholungstäter – Kunden, die öfters kommen?
Christian Raich:
Manchmal schon, aber in der Regel hält eine Lederhose ein Leben lang, wenn der Träger nicht allzu viel zu- oder abnimmt. Wenn jemand wiederkommt, dann vielleicht wegen Reparaturarbeiten. Das kommt schon vor, oder weil er uns weiterempfohlen hat und die Gelegenheit nutzt, mit dem neuen Kunden wieder einmal nach Bad Aussee zu kommen.
Wächst die Lederhose mit?
jagdfakten.at:
Weil Sie es gerade angesprochen haben. Es gibt das geflügelte Wort, dass die „Lederhose mitwächst“. Was sagen Sie dazu?
Christian Raich:
Also in der Vergangenheit war das öfters der Fall. Das Leder gibt im Laufe der Zeit etwas nach und der Bauch der Träger hat oft an Umfang gewonnen. Dadurch ist die Hose bis zu einer Gewichtszunahme von zehn Kilogramm „mitgewachsen“. Heut ist das oft anders, weil viele Männer sehr lange schlank bleiben.
jagdfakten.at:
Zum Abschluss der Versuch eines Blicks in die Zukunft: Wird dieser momentane Trend zur Tracht bleiben, oder wieder abebben?
Christian Raich:
Ich denke, die Tracht wird auch weiterhin vor allem aus Tradition von Vereinen getragen, aber in Zukunft auch in einer gewissen Breite der Bevölkerung wieder mehr im Alltag Platz finden. Im Ausseerland (Salzkammergut) wird die Lederhose als männliches Beinkleid aber immer zum Alltagsbild gehören.
jagdfakten.at:
Herr Raich. Danke für das nette und Informative Gespräch!
Anmerkung des Redakteurs: Nach dem Interview gab es in der Küche der Familie Raich ein gutes Schnapserl und wir haben noch länger über Gott und die Welt geplaudert (mit Abstand – weil es momentan leider nicht anders geht).
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: Jagdfakten.at/L. Molter
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