Meister Leder
Weil er Dinge erschaffen wollte, die vererbt werden, kehrte Raphael Sima vor zehn Jahren der Werbebranche den Rücken. Heute fertigt der Wiener in einer kleinen Ledermanufaktur nahe Schloss Schönbrunn feinste Jagdlederwaren.
LEDERMANUFAKTUR
LEDERMANUFAKTUR
LEDERMANUFAKTUR
Jagdlederwaren
Als Raphael Sima die Tür zur Manufaktur öffnet, steht hinter ihm gleich Hertha. Diese Hertha ist nicht besonders groß, in ihrer Erscheinung sehr massiv, aber sie funktioniert einwandfrei, quasi auf Knopfdruck, auch wenn sie nicht mehr die Jüngste ist.
Hertha ist eine Spaltmaschine, gut 50 Jahre alt und schneidet Leder auf die gewünschte Stärke zusammen. Sie ist auch eines von den Geräten, die Raphael Sima ständig in Gebrauch hat. Prinzipiell finden sich in der kleinen Ledermanufaktur in der Wiener Schönbrunner Straße durchwegs Sachen, die man mit Akribie auf Internetplattformen oder Flohmärkten suchen muss. Wie eine Schärfmaschine, eine 100 Kilo schwere Wertheim-Presse oder eine Original-Pfaff-Freiarmnähmaschinen. Dass das so ist, hat einen guten Grund.
Faszination
Lederhandwerk
Raphael Sima, Sohn einer Kammersängerin und eines Wiener Philharmonikers, übt ein Handwerk aus, das es heute fast nicht mehr gibt: Der 37-Jährige ist Taschner, spezialisiert auf Jagdlederwaren, wovon es heute „nur mehr vier oder fünf“ in Wien gibt, wie er sagt.
Und wer nun meint, der begeisterte Jäger habe einen Jahrhundertealten Familienbetrieb übernommen, nun ja – der irrt gewaltig. Raphael Sima hat an der WU und später in England Werbung und Brand Management studiert, in einer namhaften Agentur gearbeitet, ehe er mit 28 abrupt die Reißleine zog. Heute sieht er das als Geschenk – und es war auch ein Präsent, das ihn zu dem Schritt bewogen hat. „Ich habe einen Messerschmiedekurs geschenkt bekommen, wo zum Messer auch das passende Etui gefertigt werden musste“, erinnert sich Sima. „Ich war sofort fasziniert davon, wie schön es ist, mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen.“ Metall war ihm jedoch zu kalt und hart, Holz zu statisch, Leder indes perfekt. So kam eins zum andern, Sima richtete sich im Heizkeller der Eltern seine erste Lederwerkstatt ein und begann zu tüfteln, zu fühlen, zu lernen.
Was naturgemäß nicht ganz so einfach war. „Die meisten Taschner haben ihr Wissen mit ins Grab genommen“, nicht aber Kommerzialrat Josef Lobinger, damals auch Innungsmeister, der den wissbegierigen Endzwanziger unter seine Fittiche nahm. Sima frequentierte das Geschäft, das Lobingers Tochter führte, immer mehr, „alibimäßig ließ ich dort einen Gürtel nach dem anderen reparieren, obwohl ich die gar nicht gebraucht habe.“ Ausgezahlt hat es sich allemal, schließlich gilt Simas Geschäft heute als Top-Adresse unter JägerInnen.
Jagdrucksack:
geräuschlos & vollkommen
Und da ist es natürlich von Vorteil, dass der Taschner selbst begeisterter Jäger ist. Sprich: Er weiß, was sein muss, aber auch, was nicht sein soll. Was man auch gleich an seinem Jagdrucksack („In der Sprache eines Kochs wäre das mein Signature Dish.“) sieht.
Der Jagdrucksack ist aus Hirschleder gefertigt, groß, robust und „es gibt nichts, das auch nur annähernd ein Geräusch macht.“ Statt über Schnallen verfügt er über Lederbänder, die einfach mit zwei Fingern zu öffnen sind, auch die Träger sind mit Lederbändern fixiert, um ein Einreißen zu vermeiden. Kein Wunder, dass Sima mit einem breiten Grinsen sagt: „Auf diesen Rucksack gebe ich 100 Jahre Garantie!“
Erlaubt ist, was gefällt
Wer wie Sima selbst viel jagt, weiß natürlich, wo die Probleme diverser Produkte liegen. Diese umgeht er weitläufig. Statt im Rucksack kramen zu müssen, bringt er Außentaschen für Schalldämpfer an, zudem stellt er hochwertige Flinten- und Gewehrfutterale her und Patronentaschen.
Teilweise bringen ihm KundInnen eigenes Leder vorbei, großteils aber bezieht er es im Handel. 70 % des Gesamtverbrauchs stemmen Rind und Kalb, das Leder wird in erster Linie aus Italien importiert. Jenes vom Hirsch kommt vorrangig aus Neuseeland, „dort gibt es keine Dasselfliegen, keine Stacheldrähte – das Leder ist makellos“, weiß der Experte, der sein Werkzeug – Falzbein, Locheisen und Co. – immer in Griffnähe hat.
Besonders gern verarbeitet er sämisch gegerbtes Hirschleder oder jede Art von vegetabil gegerbtem Anilinleder, das auch nachhaltig ist. Dazu kommt Leder von Kalb und Rind. Aber das entscheidet der Kunde bzw. die Kundin. Erlaubt ist jedenfalls, was gefällt. Sima: „Man muss das Rad der Zeit nicht neu erfinden – aber man kann es neu interpretieren.“
R. Sima Jagdlederwaren
Schönbrunner Straße 268
1120 Wien
www.leder-sima.at