Von Sicherheit und Verantwortung: jagdliches Übungsschießen
Was macht einen Shootingpark relevant, sicher und in jeglicher Wortbedeutung zielführend?
Ein Blick hinter die Kulissen der modernsten und umfassendsten Schießanlage des Landes.
Wie Jäger
schießen üben
Jürgen Lichem, Geschäftsführer – Shooting Park Leobersdorf
Mitten im Industrieviertel Niederösterreichs, auf einem Areal von insgesamt rund 35 Hektar, liegt der Shootingpark Leobersdorf. Und dass das so ist, das kommt nicht von ungefähr: „Die Region“, erklärt Jürgen Lichem, Geschäftsführer der Einrichtung, „ist traditionell sehr eng mit der Rüstungs- und Munitionsproduktion verbunden.“ Insofern war der Schritt nur logisch, hier eine der modernsten und umfassendsten Schießanlagen des Landes zu errichten. „Der Park“, sagt Lichem, „bietet alles, was das Herz begehrt – von olympischen Disziplinen über Jagdparcours bis hin zu speziellen Übungsmöglichkeiten für Anfänger.“
Ein Ort der Verantwortung und Sicherheit für die Jägerschaft sozusagen, zugänglich für Mitglieder und Nicht-Mitglieder gleichermaßen. „Es ist uns wichtig, dass Menschen ohne Verpflichtung die Möglichkeit haben, hier zu schießen und das Handwerk zu lernen. Mit modernen Anlagen und Maschinen können unsere Besucher alle Szenarien üben, angefangen bei Überkopftauben bis hin zu Rollhasen. So ist für jeden etwas dabei, vom Anfänger bis zum erfahrenen Jäger.“ Im Interview erklärt Lichem, selbst passionierter Jäger, warum regelmäßige Trainings Sinn machen, selbstverständlich sein sollten und warum der Blick in die Zukunft der Jägerschaft ein durchaus rosiger ist.
Wie wichtig
ist Übungsschießen?
Herr Lichem, Sie sind selbst Jäger. Wie wichtig ist das regelmäßige Übungsschießen für die Sicherheit bei der Jagd?
Jürgen Lichem: Für die Sicherheit bei der Jagd ist der geübte Umgang mit der Waffe essenziell. Sichere Waffenhandhabung muss jeder Jäger im Schlaf beherrschen. Da gibt es gewisse Grundregeln, die man wie das Einmaleins können muss – auch morgens um vier. Wie stelle ich einen sicheren Zustand meiner Waffe her? In welche Richtung darf ich sie halten? Wie entlade ich sie richtig? Das muss sitzen. Ein Fehler kann schwerwiegende Folgen haben, und da gibt es keinen „Rückgängigknopf“. Genau deshalb ist das Übungsschießen so wichtig. Man muss nicht nur per Du mit der Waffe sein, sondern das Schießen im Blut haben. Denn wenn ein Fehler passiert, lässt sich das nicht mehr rückgängig machen.
Das Übungsschießen hat also auch eine ethische Komponente?
Jürgen Lichem: Absolut. Als Jäger tragen wir die Verantwortung, nicht wie ein Sportschütze einfach ein Loch in die Scheibe zu schießen. Beim Jäger zählt der erste Schuss, und der muss sitzen. Der erste Schuss ist der einzige, und als Jäger sollte man immer mit 100 Prozent Sicherheit wissen, dass dieser Schuss waidgerecht ist. Man muss es, wie ich gerne sage, „im Gewissen haben“, dass der Schuss passt. Dafür ist das Übungsschießen unerlässlich. Die Jägerschaft steht hier auch unter gesellschaftlicher Verantwortung. Unsere Mitglieder gehen freiwillig zum Übungsschießen, aus Respekt vor dem Wild. Es ist ein Statement, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen.
Wie oft würden Sie empfehlen, dass Jäger üben?
Jürgen Lichem: Ich empfehle, mindestens zweimal im Jahr zu trainieren. Vor jeder Jagdsaison sollten Jäger ihre Waffe auf den Prüfstand stellen. Zum Beispiel vor der Rehbockjagd im Mai: Im März oder April wäre es ideal, sich ein, zwei Stunden auf den Schießstand zu begeben und zu überprüfen, ob alles passt. Man muss sicherstellen, dass das Gewehr in einem Topzustand ist. Vielleicht ist es beim Transport umgefallen oder etwas hat sich in der Tasche verstellt. Da kann schon eine Kleinigkeit genügen, um den Schuss zu verfälschen. Außerdem muss man sich selbst wieder „firm machen“, das Gefühl für den Druckpunkt und die Handhabung auffrischen.
Schießen üben im Shooting Park –
Schießtechniken & Simulationen
Der Shootingpark bietet eine große Auswahl an Schießtechniken und Simulationen. Welche Arten sind für Jäger besonders wichtig?
Jürgen Lichem: Die Flinte ist für die Niederwildjagd unverzichtbar, und da muss man besonders präzise treffen, weil das Wild oft in Bewegung ist. Dazu bieten wir verschiedenste Wurfscheiben als Ziele an, vom Rollhasen bis zur Überkopftaube – alles, was auch in der echten Jagdsituation vorkommen könnte. Der „laufende Keiler“ ist eine meiner Lieblingssimulationen. Das ist eine Indoor-Schießbahn, auf der eine Scheibe in der Form eines Wildschweins vor dem Schützen entlangfährt. Die Bewegung und Geschwindigkeit kann man variieren, und die Treffer werden digital angezeigt. Das alles hilft dem Jäger, seine Reaktionsfähigkeit und Präzision zu verbessern – und das ist entscheidend, vor allem in der Drückjagdsaison.
Welche Rolle spielt die Technik für Präzision und Sicherheit?
Jürgen Lichem: Die Technik macht Schießen nicht einfacher, aber präziser. Der laufende Keiler mit digitaler Treffpunkterfassung ist ein Beispiel. Doch Technik ersetzt nicht die Praxis – im Gegenteil, man muss unter realistischen Bedingungen üben. Beim Schießen im Revier sitzt der Jäger vielleicht auf einem Hochsitz, und das Wild kommt von einer ganz anderen Richtung als erwartet. Da muss man den Oberkörper verdrehen, das Gewehr lautlos anlegen. Vielleicht ist der Sitz nass, und es ist eng, kalt und unbequem. Das lässt sich auf dem Schießstand kaum simulieren, und deshalb muss man sich in verschiedenen Situationen mit seiner Waffe sicher fühlen. So wie wir beim Autofahren sicherer werden, je öfter wir fahren, so ist es auch mit dem Schießen.
Ausbildung junger Jäger & Jagdkultur
Welche Bedeutung hat die Ausbildung von jungen Jägern und Neueinsteigern für Sie?
Jürgen Lichem: Junge Jäger sind die Zukunft unserer Zunft, und wir legen großen Wert auf ihre Ausbildung. Bei uns machen junge Jäger Handhabungskurse und Sicherheitstraining, und sie gehen schon vor ihrer Prüfung ins Revier. So lernen sie die Praxis, die Theorie allein reicht nicht. Das Privileg, Leben im Revier nehmen zu dürfen, ist zugleich eine große Verantwortung. Unsere Trainer sind sehr kompetent und vermitteln den jungen Jägern die Waidgerechtigkeit und den Respekt vor dem Wild. Sie müssen verstehen, dass es nicht nur um das Abschießen geht, sondern um das Gleichgewicht in der Natur und die Achtung des Wildes.
Wie hat sich die Jagdkultur in den letzten Jahren verändert?
Jürgen Lichem: Da hat sich einiges getan, insbesondere durch die neue Generation. Diese junge Jägerschaft bringt eine Disziplin und Ethik mit, deren Mangel uns Jägern in der Vergangenheit oft vorgeworfen wurde. Alkohol im Revier ist ein absolutes No-Go, und das ist heute eine Selbstverständlichkeit. Unsere jungen Jäger stehen für eine verantwortungsvolle, moderne Jagdkultur, die alte Stereotype widerlegt. Der „schießwütige Jäger“ gehört der Vergangenheit an. Der Shootingpark fördert diese Kultur durch eine konsequente Ausbildung, die die Sicherheit und die ethischen Grundsätze in den Vordergrund stellt.
Jeder Schuss
muss sitzen
Gibt es abschließend etwas, das Sie allen Jägern in Bezug auf Übungsschießen mitgeben möchten?
Jürgen Lichem: Übungsschießen ist nicht nur eine Frage der eigenen Sicherheit, sondern auch ein Beleg für den ethischen Zugang zur Jagd. Jäger, die regelmäßig trainieren, zeigen Verantwortung gegenüber der Natur, dem Wild und der Gesellschaft. Die regelmäßige Praxis ist es, die einen Jäger wirklich sicher und verantwortlich macht. Jeder Schuss muss sitzen – und wer seine Verantwortung als Jäger ernst nimmt, der bleibt „per Du“ mit seiner Waffe, mit den Kollegen im Revier und mit dem Wild.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: Revierausflug © Franz-Ferdinand Gaugusch | © Shootingpark Leobersdorf | © Jürgen Lichem
Autor für diesen Beitrag: U. Macher / Jagdfakten.at
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