Stadtjäger: Was es mit der Jagd in der Stadt auf sich hat
Die Jagd im urbanen Gebiet wartet mit so mancher Besonderheit auf.
Worum es dabei wirklich geht, erklärt uns Stephan Bertuch, Bezirksjägermeister der Stadt Graz.
DIE JAGD
IN DER STADT
Stadtjagd – das Wort wirkt für viele wie ein Widerspruch in sich. Wer jagt, tut das doch draußen, in der Natur, im Wald, auf Feldern – dort, wo uns die endlose Weite der Natur umgibt. Und doch: Gejagt wird auch in der Stadt. Aber was heißt das genau? Und worin unterscheidet sich die Jagd im geschäftigen Stadtgebiet von der inmitten der Landidylle?
Zunächst einmal: Eine Stadt, das sind nicht nur zubetonierte Innenstadtteile, Bürokomplexe und brummender Verkehr. Die Fläche der Stadt Graz beispielsweise besteht – und das ist keine Seltenheit für Städte dieser Größenordnung – zu rund 25 Prozent aus Wald. Das dort lebende Wild lebt in einer vergleichsweise engen Nachbarschaft zu uns Menschen – und muss daher genauso wie in ländlichen Gebieten reguliert werden, damit das Zusammenleben zwischen Stadtmensch und -Tier in einem ökologischen Gleichgewicht steht.
Dieses – vor allem in der Stadt so fragile – Gleichgewicht zu hüten, ist die vorrangige Aufgabe der Stadtjäger. Nur gilt es in einer Stadt wie Graz eben ein paar Eigenheiten zu beachten. „Der Aufwand, die Jagd in einer Stadt zu betreiben, ist vermutlich weitaus höher als in ländlichen Bereichen“, sagt Stephan Bertuch, Bezirksjägermeister der Stadt Graz.
Stephan Bertuch, Bezirksjägermeister Stadt Graz
Jagd in Graz
12 Reviere auf 13.000 Hektar
Zwölf Reviere nennt die steirische Landeshauptstadt ihr Eigen – und das auf einer Fläche von rund 13.000 Hektar. Die Hauptwildart ist das Rehwild. „Doch was die wenigsten wissen: Im Grazer Westen, also am Plabutsch und dem Grazer Buchkogel, gibt es auch zwei Gamspopulationen. Darauf sind wir hier besonders stolz!“, sagt der leidenschaftliche Jäger. Zehn Gams wurden im vergangenen Jagdjahr erlegt. Doch was meint Bertuch genau, wenn er von einem höheren Aufwand beim Jagen in der Stadt spricht?
„Zum einen gibt es im urbanen Gebiet einfach mehr Naturnutzer, die sich in ihrer Freizeit im Wald aufhalten. Außerdem müssen auch bestimmte Abstände zu Häusern gewahrt werden“, erklärt der hauptberufliche Rechtsanwalt, der aus vielen Gesprächen mit der Stadtjägerschaft weiß: „Sehr oft müssen Jäger, die sich im Stadtgebiet auf den Hochsitz gesetzt haben, diesen unverrichteter Dinge wieder verlassen, weil das Wild von Spaziergängerinnen, Radfahrern oder Läuferinnen verscheucht worden ist. Das zeigt: Stadtjägerinnen und -jägerbrauchen einfach mehr Durchhaltevermögen als jene auf dem Land.“
Viele entscheiden sich daher für die eher ruhigen Morgenstunden. Denn gerade im Sommer wird der Wald abends noch von Spaziergängern aufgesucht. Die Jagdzeiten im Stadtgebiet unterscheiden sich übrigens nicht von jenen auf dem Land. „Laut Steiermärkischem Jagdgesetz beginnt auch in der Stadt die Jagd frühestens eine Stunde vor Sonnenaufgang und endet spätestens eine Stunde nach Sonnenuntergang“, so Bertuch. Und doch: Die jagdlichen Besonderheiten im Stadtgebiet haben es in sich.
Eine Stadt mit hoher Fallwildquote
Eine davon ist das Thema Fallwild. Dabei handelt es sich also um jenes Wild, das nicht durch den Schuss des Jägers erlegt wird, sondern durch andere Umstände verendet, etwa durch Verkehrsunfälle oder Krankheiten. „In Graz ist die Fallwildquote mit rund 40 Prozent überdurchschnittlich hoch“, sagt Bertuch. Während aber in vielen ländlichen Bezirken Fallwild vorrangig auf Verkehrsunfälle zurückzuführen ist, gibt es in Graz einen anderen Grund:
Hunderisse. „In besonders schlechten Jahren haben wir bis zu 100 Rehe, die von Hunden gerissen werden“, erklärt Bertuch. „Darunter sind auch solche, die von Hunden, wenn man so will, zu Tode gehetzt wurden, weil sie auf der Flucht von einem Auto erfasst werden oder in einem Zaun hängen bleiben. Oft verenden diese Rehe aber auch in Schwimmbädern, von denen es in Stadtgebiet ja viele gibt. Wir holen jedes Jahr erstaunlich viele Rehe aus Schwimmbädern!“
Hunde an die Leine – auch den Tieren zuliebe
Um diese hohe Fallwildquote zu reduzieren, hat Bertuch ein Projekt ins Leben gerufen, das Hundehalter für diese Thematik sensibilisieren soll. Und zwar ganz ohne erhobenen Zeigefinger. „An einzelnen Hotspots bauen wir Stände auf und suchen dort mit Hundebesitzern das Gespräch“, erklärt Bertuch. „Dabei belobigen wir natürlich insbesondere die, die ihren Hund angeleint haben. Sie bekommen eine Anstecknadel und der Hund ein Leckerli – damit können wir unser Anliegen mit einer positiven Botschaft verbinden. Viele Hundebesitzer tragen genau diese Botschaft dann auch weiter hinaus.“
Und wie fallen die Reaktionen jener Hundebesitzer aus, die ihre Hunde nicht angeleint haben? „Unterschiedlich“, gibt Bertuch unumwunden zu. „Leider gibt es bei manchen ein Verständnisproblem für diese Thematik. Das ist vor allem auch deswegen bedauerlich, weil dieses Problem ja nicht nur uns Jäger betrifft, sondern das gesamte Ökosystem Wald.“
Aufklärungsarbeit wichtig
Der Blick hinter die Kulissen der Stadtjagd jedenfalls zeigt: Gerade in dichtbesiedelten Gebieten trifft die Jagd auf komplexe Themen. Und so wenig der Großteil der Bevölkerung eine Stadt wie Graz mit Jagd in Verbindung bringt: Nie war Aufklärungsarbeit für die Anliegen der Jägerschaft wichtiger als heute. Gerade gegenüber den Stadtbewohnern, die mit ihrem Verhalten offenbar größere Auswirkungen auf die Jagd haben, als vielen von ihnen bewusst sein dürfte.
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: © AdobeStock & Stephan Bertuch
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at
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