Viele Menschen glauben noch immer, dass das Reh das Weibchen vom Hirsch ist. Weit gefehlt: Hirsch (Rotwild) und Rehwild sind zwei unterschiedliche Tierarten und dennoch verwandt. Denn beide sind Wiederkäuer und gehören zur Familie der „Hirschartigen“. Genauso wie das Damwild, das Sikawild und das Elchwild. In diesem Beitrag erfahren Sie Grundlegendes über die:
TIERFAMILIE HIRSCHARTIGE
- Die Familie der HIRSCHARTIGEN zählt zum Schalenwild.
- Schalenwild (Paarhufer) wird in zwei Gruppen eingeteilt:
- WIEDERKÄUER und Schweine.
- Wiederkäuer werden in zwei Gruppen eingeteilt:
- Hornträger und HIRSCHARTIGE – dazu zählen:
- Rotwild, Damwild, Sikawild, Rehwild und Elchwild
Bevor wir uns diese Tiergruppe genauer ansehen, ein paar einführende Informationen vorab. Jagdbare Wildarten werden in der Wildkunde prinzipiell in 2 Hauptgruppen unterteilt: in Haarwild und in Federwild.
DAS HAARWILD
Als „Haarwild“ gelten all jene Säugetierarten, die in den jeweiligen Landesjagdgesetzen als jagdbar aufgelistet sind. Zum Haarwild zählen somit sämtliche heimischen und einige eingebürgerte Vertreter der
→ Paarhufer (Schalenwild)
→ Hasenartigen
→ Großnager
→ sowie sämtliche Raubsäuger (Haarraubwild).
Paarhufer werden als Schalenwild bezeichnet.
Gemeinsames Merkmal der Paarhufer ist die besondere Form des Fußskeletts:
Der dritte und vierte Finger bzw. Zehenstrahl tragen das Körpergewicht. Beim heimischen Schalenwild ist dieses „Zehenpaar“ von Hornscheiden überzogen, den zwei „Schalen“. Der erste Finger, also der Daumen bzw. die große Zehe, fehlt heute allen Paarhufern.
Der zweite und der fünfte Finger sind bei fast allen Paarhufern deutlich schwächer ausgebildet und zumeist hinter den Hauptschalen etwas erhöht angesetzt. Diese zwei ebenfalls mit Horn überzogenen Schalen bezeichnet man als „Geäfter“ oder „Afterklauen“. Das Geäfter sieht man beim normalen Gang nicht im Trittsiegel (Fußabdruck, Spur), es berührt den Boden nicht. Erst bei Flucht oder tiefem Boden hinterlassen auch die Afterklauen einen Abdruck.
Das Schalenwild wird in der Wildkunde in zwei Gruppen aufgeteilt:
- In jene der „Wiederkäuer“ und
- in jene der „Schweine“, zu der ausschließlich das Schwarzwild (Wildschein) gezählt wird.
DIE WIEDERKÄUER
werden in der Wildkunde ebenfalls in zwei Gruppen unterteilt:
Aus der Schulzeit wissen vermutlich die meisten noch, dass Wiederkäuer mehrere Mägen haben. Wie aber die Verdauung im Detail funktioniert, haben vielleicht viele schon wieder vergessen. Daher hier eine kurze Beschreibung, wie der Verdauungstrakt der Wiederkäuer aufgebaut ist:
Wiederkäuer sind Pflanzenfresser mit einem vierteiligen Magen.
Zunächst gelangt die nur grob zerkleinerte Nahrung in den Pansen und von dort weiter in kleinen Mengen in den Netzmagen. Im Netzmagen wird sie teilweise vorverdaut und schließlich wieder zurück in den Äser – den Mund – aufgestoßen. Im Äser wird die Nahrung nochmals gründlich zerrieben und gut eingespeichelt, bevor sie als Nahrungsbrei ein zweites Mal hinuntergeschluckt wird.
Nun wird sie in den anderen Magen-Abschnitten – dem Blättermagen und dem Labmagen – weiter verdaut und vor dort in den Dünndarm befördert. Besonders wichtig für die Verdauung der Wiederkäuer sind bestimmte Bakterien und Wimperntierchen. Sie gehören zum Magen-Inhalt und ohne sie wäre eine wirkungsvolle Verdauung der zellulose-haltigen Pflanzennahrung nicht möglich.
Wo liegt der Unterschied zwischen „Geweihträger“ und „Hornträger“?
GEWEIH vs. HORN:
Das Geweih wird jedes Jahr abgeworfen und wächst jedes Jahr wieder neu.
Hörner werden nicht abgeworfen, sondern wachsen ein Leben lang weiter.
Geweihe bestehen aus Knochensubstanz. Das Gehörn – wie der Name schon sagt – aus Hornsubstanz.
Eine weiter Unterscheidung: Hörner sind unverzweigt und wachsen an der Basis, Geweihe wachsen an der Spitze.
GALLENBLASE:
Sämtlichen geweihtragenden Arten fehlt die Gallenblase.
Die darin enthaltene Gallensäure ist unter anderem für die Verdauung von Fetten im Darm notwendig.
Die Hornträger – Gamswild, Steinwild und Muffelwild – haben eine Gallenblase, wie übrigens auch das Schwarzwild.
DIE HIRSCHARTIGEN
Zu den Hirschartigen Wildtieren zählen das Rotwild, das Damwild, das Sikawild, das Rehwild und das Elchwild.
Allen gemein ist, dass sie GEWEIHTRÄGER sind. Ein Geweih besteht aus reinem Knochengewebe und wird jedes Jahr abgeworfen und wieder neu gebildet. Geweihe werde nur von den männlichen Tieren gebildet – außer beim Rentier. Verantwortlich dafür ist das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Nur ganz selten kommen auch bei alten Weibchen, bedingt durch Hormonstörungen, rosenstockartige Gebilde vor.
ROTWILD
Das Rotwild ist der größte heimische Paarhufer (abgesehen vom Elch, der in Österreich nur vereinzelt auftritt).
Das männliche Rotwild wird als HIRSCH oder ROTHIRSCH bezeichnet.
Weibliches Rotwild bezeichnet man als:
→ KAHLWILD,
→ TIER oder
→ HIRSCHKUH.
Junges Rotwild bezeichnet man als KÄLBER:
→ Hirschkalb – männlich,
→ Wildkalb – weiblich.
Wie sieht Rotwild aus?
Vom Typ her ist das Rotwild ein Läufer. Körperbau und Verhaltensstruktur sind die eines Fluchttieres, das sich nicht nach kurzem Lauf ins Gebüsch drückt, sondern in ausdauernden Lauf weit flieht. Diesem Körperbau verdankt der Hirsch auch sein majestätisches Aussehen. Das Rotwild besitzt ein gutes Seh-, Riech- und Hörvermögen.
Rotwild lebt gern gesellig und somit meist in Gruppen, da diese mehr Sicherheit bieten. Die wichtigste soziale Einheit ist aber die Mutterfamilie. Sie besteht aus dem Tier (Muttertier), dem diesjährigen Kalb (Jungtier im 1. Lebensjahr) und dem Schmaltier (weibliches Jungtier im 2. Lebensjahr) bzw. Schmalspießer (männliches, Jungtier im 2. Lebensjahr).
Wo lebt das Rotwild?
Rotwild lebt in lichten, also halboffenen Wälder. Zu finden ist das Rotwild nahezu in ganz Europa – von den Meeresküsten Spaniens, über die alpinen Regionen Österreichs und der Schweiz bis in das baumlose Hochland in Schottland. Hirsch und Tier sind sehr mobil, ihr Lebensraum ist nicht territorial und umfasst relativ große Gebiete.
Wie ernährt sich das Rotwild?
Die meiste Zeit des Tages verbringt das Rotwild mit Nahrungsaufnahme. Im Sommer überwiegen Kräuter und Gräser unter den weit über hundert Pflanzenarten, die als Hirschäsung bekannt sind. Die natürliche Winternahrung besteht aus Flechten, Trieben von Laub- und Nadelhölzern, Zwergsträuchern, Rinden oder freigescharrten Gräsern.
DAMWILD
In Österreich kommt das Damwild kaum noch in der freien Natur vor. Die meisten Tiere leben heute als Gatterwild, z.B. in Wildparks. Das heute freilebende Damwild geht auf Aussetzungen zurück.
Der Damhirsch ist durch seine besondere Geweihform leicht zu erkennen: Er trägt am Ende der Stangen (einzelne Geweihteile) klar erkennbare Schaufeln.
Aufsteigend nach der Geweihstärke unterscheidet man beim Damhirsch
→ Damspießer,
→ Löffler,
→ Halbschaufler,
→ Schaufler und
→ Vollschaufler.
Ursprünglich war das Damwild bis hinauf nach Dänemark verbreitet, wurde aber durch die Eiszeit in den Süden Europas zurückgedrängt und hat sich danach nicht mehr soweit ausgebreitet.
Wie sieht Damwild aus?
Weil Damwild seit Jahrhunderten gezüchtet wird, treten viele Farbvarianten – von weiß bis schwarz – auf. Von Natur aus ist das Sommerhaar leuchtend rot mit in Linien verlaufenden weißen Flecken. Das Winterhaar ist dunkelbraun mit nur angedeuteter Fleckung.
Wie ernährt sich das Damwild?
Damwild gilt als sehr genügsam: Als Wiederkäuer ist es in der Lage auch rohfaserreiche Äsung mit geringem Nährstoffanteil zu verwerten, wie etwa Rinde oder Zweige. Damwild frisst ausschließlich pflanzliche Nahrung wie Gräser, Blätter, Kräuter, Pilze und Feldfrüchte sowie Obst.
SIKAWILD
Sikawild stammt ursprünglich aus Ostasien, außerdem gibt es Unterarten in China und Japan. Ähnlich wie beim Damwild wurde auch diese Hirschart in Europa in zahlreichen Wäldern und Wildparks eingebürgert.
Das Sikawild erkennt man durch sein eher stämmiges Aussehen.
Es hat ein vergleichsweise kurzes Haupt, einen kurzen kräftigen Träger (Hals) sowie kräftige Vorderläufe.
Das Sommerhaar ist fuchsrot bis rotbraun und hell gefleckt. Die Winterdecke ist dunkelbraun und grob im Haar, die Fleckung fehlt im Winter fast immer.
Wie sieht Sikawild aus?
Sikawild suhlt sehr gerne. Wie das Damwild, schnellt sich das Sikawild in der Flucht mit allen vier Läufen gleichzeitig vom Boden ab. Auch von der Größe und dem Aussehen ähnelt es dem Damwild. Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal ist das Geweih bei älteren Hirschen.
Wie ernährt sich das Sikawild?
Sikawild ernährt sich ähnlich wie Rotwildes: neben Kräutern, Gräsern, Knospen, Zweigen und Rinden liebt es Beeren. Daher ist das Sikawild in der Nahrungswahl etwas anspruchsvoller und sucht energiereichere Nahrung, was wiederum – zum Teil bei nicht angepassten Wildbeständen – zu erheblichen Schäden durch Verbiss und Schälen der Rinde führt.
Wo lebt das Sikawild?
Zum Unterschied vom Rotwild ist Sikawild über lange Zeit sehr standorttreu. In der Jägersprache gelten für diese hirschartigen Waldbewohner sinngemäß dieselben Ausdrücke wie beim Rotwild.
REHWILD
Rehwild besitzt eine große ökologische Anpassungsfähigkeit und kommt in Österreich praktisch in allen Lebensräumen vor – von den Donauauen bis in die hohen Tauern.
Das Rehwild ist in Österreich die häufigste und auch beliebteste Schalenwildart und zugleich auch der kleinste Vertreter der Hirschartigen.
Die Bezeichnungen weichen von jenen der anderen Geweihträger ab. Wir sprechen beim Rehwild von
→ Rehbock,
→ Rehgeiß (auch Rehgaiß) und
→ Rehkitz.
Ein männliches Tier im 1. Lebensjahr nennt man „Bockkitz“ und im 2. Lebensjahr „Jährling“.
Weibliche Jungtiere nennt man im 1. Jahr „Geißkitz“ und im 2. Jahr „Schmalgeiß“ oder „Schmalreh“.
Wie sieht Rehwild aus?
Die Färbung beim Rehwild ist im Sommer rotbraun bis fahlgelb. Die Winterdecke ist graubraun mit einer hellen, halbmondförmigen Zeichnung an der Unterseite des Trägers (Hals). Kitze sind in den ersten Monaten weiß gefleckt. Besonders auffallend ist der Spiegel (helles Haarteil am Hinterteil), der sich im Winter deutlich weiß vom restlichen Fell abhebt.
Wie ernährt sich das Rehwild?
Rehe sind sogenannte Konzentrat-Selektierer. Das heißt, sie bevorzugen vielseitige Äsung (Nahrung) und selektieren deshalb viel mehr als zum Beispiel das Rotwild. Gräser, Kräuter, Laub- und Nadelhölzer sowie zahlreiche Sträucher und Stauden zählen zum Nahrungsspektrum des Rehes, wobei auch für den Menschen giftige Pflanzen wie Eibe, Liguster oder Eisenhut aufgenommen werden. Im Frühjahr und Sommer stehen auch grünes Getreide sowie Früchte und Pilze am Speiseplan.
Wo lebt das Rehwild?
Gerade im Spätfrühling und Frühsommer legt die Rehgeiß ihre Jungen gerne auf Feldern im hohen Gras ab. Damit schützt sie diese vor Fressfeinden, da das junge Rehkitz geruchlos ist und daher im hohen Gras weder gesehen noch gewittert (gerochen) werden kann.
Obwohl es eine enge Zusammenarbeit zwischen Land- und Jagdwirtschaft gibt, kommt es jedoch leider bei der Mahd, dem Mähen des hohen Grases, immer wieder zum sogenannten „Mähtod“ von mehreren tausend Wildtieren pro Jahr. Drohnen mit Wärmebildkameras sind dabei eine sehr wirksame Methode, um die Zahl deutlich zu reduzieren.
ELCHWILD
Elchwild gibt es heute wieder vereinzelt in Niederösterreich und Oberösterreich. Er steht auf der Liste der jagdbaren Wildarten mit ganzjähriger Schonung.
Beim männlichen Elch sprechen Jäger vom „Schaufler“ oder „Stangenelch“, beim weiblichen Tier von der „Elchkuh“. Die Jungen werden als „Elchkalb“ bezeichnet.
Darüber hinaus gelten sinngemäß dieselben Ausdrücke wie beim Rotwild.
Wie sieht Elchwild aus?
Der Elch ist die größte Hirschart der Erde und Einzelgänger. Ausgewachsene Elchhirsche können in Europa bis zu 500 Kilogramm schwer werden. Damit ist er doppelt so schwer wie der Hirsch des Rotwilds und mehr als zehnmal so schwer wie ein ausgewachsener Rehbock. Die Elchkuh ist um rund ein Drittel leichter als der Elchhisch.
Wie ernährt sich das Elchwild?
Wegen seiner hohen Läufe und des kurzen Trägers (Hals) äst der Elch zum Unterschied zu den anderen Hirschartigen normalerweise in einer Höhe von 0,5 bis 3 Metern, also in der Strauchschicht. Die meiste Äsung bieten Blätter und Zweige von Laub- und Nadelhölzern. Durch diese Art der Nahrungsaufnahme sterben Zweige meist ab und die Pflanzen können sich nicht mehr ausreichend regenerieren. Gras wird hauptsächlich von Jungtieren (Elchkalb) geäst.
Die Anforderungen des Elchs an seine Umwelt lassen sich nur schwer mit der west- und mitteleuropäischen Forstwirtschaft in Einklang bringen. Im Unterschied zur skandinavischen Forstwirtschaft sind wir in unseren Breiten auf Holzqualität ausgerichtet, wogegen im Norden Europas die Zellulosegewinn (wichtiger Rohstoff für die Papierherstellung und die chemische Industrie) im Vordergrund steht.
Wo lebt das Elchwild?
Der Elch wurde bereits im Mittelalter in Mitteleuropa völlig ausgerottet und war seitdem faktisch nur noch in Skandinavien heimisch. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts kam es dann über Polen zur langsamen Ausbreitung auch in unsere Breiten.
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Bildquellen für diesen Beitrag:
Titelbild – Rothirsch: © Dieter Nagl für Jagdfakten.at | Pixabay
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