Autorin: Elisabeth Schlemper, MSc
Elisabeth Schlemper ist Wildbiologin, Jagd- und Waldpädagogin, Mediatorin und Landwirtin.
Die Umweltbewusstseinsbildung liegt ihr sehr am Herzen und
die Jagd ist dabei ein für sie ganz wesentlicher Teil des Ganzen.
Von der Vegetarierin zur Jägerin
Tierquälerei. Ein Thema, das mich bereits beschäftigt hat, als ich 16 Jahre alt war. Damals musste ich in der Schule ein Referat zu diesem Thema vorbereiten.
Die Recherche war ein absoluter Schock für mich. Da waren sie, diese schrecklichen Bilder von eingepferchten Schweinen, in Ministällen ohne Tageslicht. Von Hühnern mit ausgezupften Federn. Von schwerverletzten Rindern auf Viehtransportern. Tiere geschlagen und gepeinigt, weil sie keine Kraft mehr hatten, um den letzten Leidensweg hinein ins Massenschlachthaus zu gehen. Wo sie zu ein paar Stück Fleisch verarbeitet werden, die ohnehin viel zu oft im Müll landen. “Wahnsinn!”, dachte ich mir, das kann und will ich nicht weiter unterstützen.
Täglicher Konsum von Fleisch war damals für mich Alltag. Aufgrund meiner neugewonnenen Erkenntnisse, dass mein köstliches Schnitzel oder mein Paar Frankfurter meist schreckliche Qualen hatte ertragen müssen, bis es auf meinem Teller kam, veranlasste mich zum sofortigen Verzicht auf Feisch. Und es fiel mir nicht schwer. Ganze zehn Jahre lang war ich Vegetarierin.
Während einer Exkursion im Zuge meines Studiums der “Wildtierökologie” kam mir dann eines Tages ein saftiges Stück Wildschweinschinken unter. Es gab für uns Studenten damals eine besondere Verköstigung mit einer Auswahl von verschiedenen Wildspezialitäten. Die Kollegin gegenüber steckte genussvoll ein fein abgeschnittenes Blättchen Schinken nach dem anderen in den Mund und kommentierte es mit einem “Mmmhhhh”.
Mir floss plötzlich das Wasser im Mund zusammen. Dabei haderte ich stark mit mir selbst, da ich ja aus Überzeugung den Fleischgenuss verweigerte. Die Kollegin reichte mir ein Stück herüber und legte es auf mein Brettchen. Und ich hab’s getan! Ich habe das Stück vorsichtig in meine Finger genommen, den schmackhaften Duft eingeatmet und gegessen. Einfach so. Es war köstlich! Ich habe mir sogar im Anschluss daran sogar ein Stück dieser Delikatesse gegönnt. Lange im Kühlschrank überlebt hat er dann nicht, der Schinken.
Bereits einige Zeit zuvor hatte ich meine Fleischverweigerung hinterfragt. Ich kam aber immer wieder auf die selbe Einsicht: Ich esse nur was ich töten kann. Zugegeben, das waren damals “nur” Garnelen. Ein größeres Tier umzubringen, konnte ich mir schier nicht vorstellen. Als Wildtierökologin den Jagdschein zu machen war für mich selbstverständlich. Bei der Bewirtschaftung der Wildbestände versteht sich die Jagd als unerlässliches Werkzeug. Ich wusste aber auch, welches hochwertige Lebensmittel dabei gewonnen wird: Wildpret. Das Fleisch des Wildes. Gerade, weil ich wusste, wie bodenständig diese Art der Fleischgewinnung ist, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen.
Du bist was Du isst. Das impliziert schon eine gewisse Verantwortung, die jeder als Konsument trägt. Ich möchte kein Verursacher sein, für die schrecklichen Bilder, die ich nach meiner Referatsrecherche noch immer im Kopf habe. Mit hochwertigen Fleischprodukten aus der Region kann ich mit gutem Gewissen leben. Dazu zählt für mich zweifelsohne das Wildpret. Es erfüllt meine hohen Ansprüche. Aber täglicher Fleischkonsum? Muss nicht sein! Und schon gar nicht um jeden Preis. Zwei bis drei Mal Fleisch pro Woche reichen absolut aus. Besser weniger, aber wenn dann mit Qualität. So denke ich heute.
Zugegeben, ich bin in einer glücklichen Lage. Es fällt mir leicht, meine selbstauferlegten Vorgaben einzuhalten. Ich bin Bäuerin und ich bin Jägerin.
So ziemlich jedem Tier habe ich, bevor es als Steak, Faschiertes, Leberkäse oder Jausenwürstl auf meinem Teller liegt, noch in die Augen geschaut. Vielleicht habe ich es sogar auch richtig lieb gehabt und bin bei seiner Geburt dabei gewesen. “Macht Dir das Töten Spaß?”, wurde ich von einem Nichtjäger einmal gefragt. “Nein”, habe ich geantwortet. Wem Töten Spaß macht, der hat in der Jagd nichts zu suchen, wohl eher in einer psychiatrischen Klinik. Es ist der Erfolg, der die Freude an der Jagd ausmacht. Der Erfolg, das Wild, dem man nachgestellt ist, überlistet zu haben, es durchschaut zu haben, sich ohne ein Geräusch anzuprischen. Und am Ende mit einer gewissen Ruhe einen sicheren Schuss anzubringen. Die Worte eines Kollegen sind mir hier in besonderer Erinnerung geblieben. “Nach einer bewältigten Bergtour ist es eine wahre Genugtuung das Gipfelkreuz zu berühren und sich darüber klar zu werden, dass man es geschafft hat.”
Ähnlich verhält es sich für mich mit dem Erlegen von Wild. Der Tötungsakt an sich ist kein schöner Moment. Diesen versucht man dann anschließend zu verarbeiten. Dies gelingt mir beispielsweise viel besser, wenn ich die erste Zeit bei dem erlegten Tier innegehalten habe und dankbar bin. Das wäre mit der Berührung des Gipfelkreuzes zu vergleichen, wenn man so will. Die Belohnung teilt man dann mit seiner Familie und seinen Freunden: Schöne Momente und besonders hochwertige Lebensmittel.
Ein Wildgenuss mit wunderschöner Erinnerung. Erinnerung an einen gemeinsamen Ansitz. Mit dem eigenen Ehemann zum Beispiel, mit dem man diese Leidenschaft teilen darf. Die Schafherde vor dem Fenster beobachten. Jedes einzelne Tier kennt man meist schon von seinem ersten Tag an. Hat es aufwachsen gesehen, hat sich bemüht es bestmöglich großzuziehen, hat es lieb. Dann kommt dieser eine Tag. Der letzte Tag. Der Moment an dem man das anvisierte Wild im Fadenkreuz sieht. Der Schuss fällt. Dann überkommt mich eine Traurigkeit. Zeit für den Abschied. Dann die tiefe Dankbarkeit. Der Blick auf den Teller. Revuepassieren lassen wie es dazu kam. Der erste genussvolle Bissen.
Freude und Leid liegen hier nah beieinander. Man entscheidet über Leben und Tod. Für meine Familie und mich will ich ein gesundes Leben. Eine vollwertige Kost mit gutem Gewissen. Dafür muss ein Tier sterben. Was ich aber zurück geben kann, ist meine Wertschätzung. Und dies tue ich jeden Tag.
Bildquellen für diesen Beitrag: Elisabeth Schlemper, MSc / Pixabay
Elisabeth Schlemper, MSc.
Elisabeth Schlemper ist Wildbiologin, Jagd- und Waldpädagogin, Mediatorin und Landwirtin. Die Umweltbewusstseinsbildung liegt ihr sehr am Herzen und die Jagd ist dabei ein für sie ganz wesentlicher Teil des Ganzen.
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