Vortrag vor dem Alpenländischen Jagdrechtstag am 24. März 2022

Das Ziel des Naturschutzes ist die Erhaltung ökologischer Systeme, die ihrem Wesen nach unabhängig von der menschlichen Existenz entstanden sind. Dabei wird der Natur vom Gesetzgeber ein Eigenwert zugemessen. Diese Schutzzielbestimmung stößt an ihre Grenzen, wenn Naturzustände erst durch den Menschen geschaffen wurden, um seine Lebengrundlagen zu bilden.

Von Florian Asche

Auf den Punkt
Der Beitrag befasst sich mit dem Wertungsgeflecht von Naturschutz und Eigentum in Landschaften, die ausschließlich anthropogen geprägt und erhalten werden.

Über den Autor
Dr. Florian Asche ist Rechtsanwalt in Hamburg und ständiger Autor der Zeitschrift JÄGER. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt beim Stiftungsrecht, der Generationennachfolge und der Vertretung mittelständischer Unternehmen. Er ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Wald und Wild in MV und Beirat der Jägerstiftung.  Seine jagdliche Heimat liegt in Mecklenburg-Vorpommern. Website www.aschestein.de

Naturschutz ohne Menschen?

Die Jagd auf den Ostfriesischen Inseln
im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

I. Friesische Freiheit

Der Volksstamm der Friesen wird schon bei den römischen Historikern Plinius und Tacitus erwähnt. [1] Nachdem der Feldherr Drusus diesem kleinen Bauernvolk die Lieferung von Rinderhäuten auferlegt hatte, blieb deren Größe und Zahl hinter den Erwartungen der Quästoren zurück. Als Strafaktion versklavten die Römer deshalb Kinder und Frauen der Friesen und lieferten dadurch den Grund für den ersten Aufstand dieses Stammes, der beinahe zwanzig Jahre andauerte.  Bei Baduhenna soll damals eine Einheit von über 900 Legionären vollständig aufgerieben worden sein. Angesichts dessen zeigt sich früh ein besonderes Streben nach Unabhängigkeit, das die Menschen dieses Landstrichs zu eigen war. Im 8. Jahrhundert eroberte Karl Martell Friesland und gliederte es in das Frankenreich ein. Dabei führten die Abgelegenheit des Territoriums und die Unabhängigkeit der Ureinwohner beim Kampf gegen die Wikinger schon unter Karl dem Dicken im 9. Jahrhundert zu umfangreichen Rechtsgarantien, zum Beispiel zur Freistellung vom Militärdienst [2].

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war Friesland bis ins 15. Jahrhundert Gegenstand reichsunmittelbarer Verwaltung und erhielt sich dadurch eine weitgehende Autonomie. Auch nach der Eingliederung in den preußischen Staat Friedrichs des Großen (1744) blieben weitgehende Sonderrechte der ländlichen und dörflichen Verwaltung in Friesland erhalten. Diese Freiheitsliebe ist sprichwörtlich geworden und in der Predigtsammlung von Westermann (1653) mit folgenden Worten überliefert: „Phriso pro Libertate mortem appetit, dat is: Liever doot dan onvrij – Der Friese nimmt für das Streben nach Freiheit auch den Tod in Kauf. Lieber Tod als Sklave“.

[1] Zur Geschichte Frieslands: Behre/van Lengen, Ostfriesland – Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995; Melchers: Ostfriesland: Preußens atypische Provinz?: preußische Integrationspolitik im 18. Jahrhundert. Oldenburg 2002; Bülck: Lewer duad üs Slaw – Geschichte eines politischen Schlagworts. In: Zwischen Eider und Wiedau. Heimatkalender Nordfriesland 1979, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum o. J.

[2] Heinrich Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands. 1975, S. 22 ff.

II. Friesische Jagd

Ein besonderes Beispiel für die weitgehende Autonomie dieses Volksstammes bildet die Jagdverfassung [3]. Schon die Frankenkaiser gestatteten der Bevölkerung weiterhin die freie Jagdausübung auf das reichlich vorkommende Wasserwild. Es gab auch keine Jagdfron gegenüber dem Grundherrn. Der Volksstamm musste auch kein Militär stellen. Die weitgehende Selbstverwaltung, auch im Hinblick auf die freie Wasservogeljagd, wurde schließlich im Konkordat von Emden (1599) als Aucupia festgeschrieben und im Emder-Vertrag von 1744 nach der Annexion Frieslands durch Friedrich den Großen, anerkannt. Schließlich wurde die freie Jagd in Friesland auch in mehreren Gesetzeskodifikationen der Neuzeit regelmäßig betont. Dies begann   1785, setzte sich fort in der Jagdordnung von 1838, die ihrerseits im Hannoverschen Jagdgesetz von 1850 und schließlich in der Jagdordnung von 1859 beibehalten wurde. Danach konnte jeder Friese weiterhin frei die Jagd auf Wasservögel ausüben. Diese gesetzliche Sonderrolle wurde zum Teil auch als touristische Attraktion genutzt. So berichtet Heinrich Heine von einer Reise nach Norderney und der dabei ausgeübten Robbenjagd. Auch nach der Reichseinigung 1871 blieb das Freijagdsystem in Friesland unangetastet und wurde in der Preußischen Jagdordnung von 1907 nochmals besonders bestätigt. Danach mussten Friesen zwar einen Jagdschein lösen, dieser war allerdings an keine Prüfung oder sonstige Zugangsbeschränkungen gebunden. Die Jagdausübung selbst war frei.

Erst im preußischen Jagdgesetz von 1934 und im Reichsjagdgesetz von 1935 wurden sämtliche Regionalrechte durch die nationalsozialistische Regierung aufgehoben und die Jagdausübung erfolgte öffentlich-rechtlich auf Basis einer Jägerprüfung und zivilrechtlich durch Nutzung des Jagdausübungsrechts im Rahmen von Jagdpachtverträgen. Unabhängig von diesen neuen Vorgaben blieb die tatsächliche Jagdnutzung auf den Ostfriesischen Inseln regelmäßig in der Hand der örtlichen Bevölkerung. Jagdreviere wurden ausschließlich innerhalb der Dörfer vergeben.  Jäger vom Festland werden lediglich als Jagdgäste, z. B. zur Falknerausbildung, eingeladen.

III) Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

Die Geschichte des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer beginnt schon mit der Übereinkunft von Ramsar 1971. Das Wattenmeer als besonderer Naturraum wurde seinerzeit für die Vogelwelt als schutzwürdiges Habitat erkannt und erstmals unter Schutz gestellt. 1982 erfasste das Niedersächsische Raumordnungsprogramm die Flächen des Wattenmeeres als Naturpark. 1986 trat die Nationalparkverordnung in Kraft. Seit 1992 ist das Niedersächsische Wattenmeer Biosphärenreservat, seit 1997 FFH-Gebiet. Seit 2009 findet sich der Nationalpark in der Liste des UNESCO-Naturerbes.

Borkum Zonierung, Grafik Nationalpark, Vortrag Dr. Florian Asche

Der Nationalpark ist 345.800 ha groß und durch ein sog. Zonierungsmodell geprägt [4]. Nur auf 0,5 % der Fläche ist eine menschliche Nutzung und die damit verbundene Erholung unproblematisch möglich. Auf weiteren 31 % der Fläche dürfen auf ausgewiesenen Wegen ganzjährig betreten werden. Dieses Wegenetz ist während der Hauptbrut- und Rastzeit vom 1. April bis zum 31. Juli eingeschränkt. In der weitaus überwiegenden Fläche von 68,5 % gilt ein ganzjähriges Betretungsverbot mit Ausnahme speziell markierter Wege oder geführter Wanderungen.

Die laufende Ausweitung der Schutzzonen wurde mit einer anhaltenden Beschränkung menschlicher Nutzungsformen verbunden [5]. Davon betroffen sind insbesondere:

1. Fischerei
In der Ruhezone darf nur von speziell ausgewiesenen Punkten aus geangelt werden. Die Nationalparkverwaltung weist aber keine derartigen Flächen aus, so dass es sich de facto um ein Vollverbot handelt. Die autochthone Bevölkerung der Inseln ist damit auf mehr als 2/3 der Fläche des Nationalparks von einer klassischen ländlichen Nutzungsform de facto ausgeschlossen.

2. Ausweisung von Weideflächen
Das oben dargestellte Prinzip setzt sich fort, wenn es um Rinder- und Pferdeweiden geht. Weideflächen werden kaum ausgewiesen.

3. Muschelfischerei
Die Muschelfischerei wird durch Ausweitung nutzungsfreier Zonen deutlich eingeschränkt.

4. Beeren und Pilze sammeln
Das Sammeln von Pilzen und Beeren zur Vermarktung als regionale Produkte, z. B. in der Gastronomie, ist auf mehr als 2/3 der Gebietsfläche verboten. In Anbetracht des Charakters als UNESCO-Biosphärenreservat wäre in der Kernzone sogar jegliche Nutzung von Naturprodukten, auch zum Eigenverbrauch. ausgeschlossen.

5. Jagdausübung
Die Jagd begegnet dabei den schwersten Einschränkungen, die sich über die vergangenen Jahrzehnte ausgeweitet haben.

[3] Zum Jagdrecht: Eule, Hans-Werner: Die Forst- und Jagdgeschichte Ostfrieslands, abrufbar unter www.ostfriesischelandschaft.de; Königlich Bayrischer Forstmeister St. Behlen: Jagdordnung für Ostfriesland 1838. (PDF) In: Archiv der Forst- und Jagdgesetzgebung der deutschen Bundesstaaten; Elfter Band; erstes Heft. Verlag: Freiburg im Breisgau, Wagner`sche Buchhandlung /Saueränder., 1846; Wolf: Hannoversche Jagdgesetzgebung eine Zusammenfassung der die Jagdverhältnisse betreffenden Gesetze und Verordnungen des Königreichs Hannover. (PDF) In: Bayrische Staatsbibliothek. Helwing´sche Hofbuchhandlung, 1859

[4] Umfassende Darstellung unter www.nationalpark-wattenmeer.de/nds.

[5] Detaillierte Darstellung in: Heeren, Dokumentation Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, Melsungen 2021.

Einschränkung jagdbarer Arten
Während früher die häufig vorkommende Spießente, Pfeifente, Krickente und Stockente auf den Inseln bejagt werden durften, ist davon nur noch die Stockente übriggeblieben.

Die Waldschnepfe darf zwar nach der Nationalparkverordnung weiterhin bejagt werden. Die Verwaltung behilft sich allerdings dadurch, die Bejagung über die Jagdpachtverträge auszuschließen.

Die Gänsejagd wird erheblich eingeschränkt. Dabei zeigt die Population außergewöhnliche Steigerungsraten. So haben sich beispielsweise die westeuropäischen Bestände der Blessgans von ehemals rund 60.000 auf rund 1,2 Mio. Tiere erholt. Die Rechtsprechung rechtfertigt deren Vollschonung allein mit der Verwechselungsgefahr gegenüber der unter Schutz stehenden Zwerggans [6]. Der Bestand der Graugans – sie galt fast als ausgestorben – hat sich auf gut 610.00 Exemplare erhöht [7]. Der Bestand der Nonnengans hat sich in den letzten 30 Jahren in der Nordseeregion fast verfünffacht und liegt nun bei zirka 140.000 Vögeln.

Gänse; Vortrag Dr. Florian Asche: Naturschutz ohne Menschen?

Gänse

Gänsefrass; Vortrag Dr. Florian Asche: Naturschutz ohne Menschen?

Gänsefrass

[6] OVG Schleswig-Holstein zur Zwerggans, Urteil vom 22.5.2017, Az. 4 KN 8/15.

[7] Mooji, Wildgänse in Europa, Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 35, S. 229 ff.

Revierentwicklung
Die Anlage von Wildäckern, sonstigen Wildäsungsflächen und Hegebüschen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt ebenfalls für die Errichtung von Bruthilfen und die Wildfütterung.

Jagdarten
Die Jagd mit Greifvögeln bedarf der besonderen Absprache. Ansonsten ist sie verboten. Die Anzahl und Termine für Gesellschaftsjagden sind streng limitiert. Darüber hinaus greifen auch noch weitere örtliche Verbote, z. B. das Jagen vom sog. Poolfass aus, einem in den Boden eingegrabenen Stand, der insbesondere zur Gewährleistung des wichtigen Schuss- und Sicherheitswinkels in der flachen Landschaft neben der Deckung dient.

Jäger, Poolfass; Vortrag Dr. Florian Asche: Naturschutz ohne Menschen?

Poolfass

Prädatorenmanagement
Zugleich werden Teile des Naturschutzes, die ideal durch die Jägerschaft ausgeübt werden könnten, für erheblichen finanziellen Aufwand an Spezialfirmen vergeben. So bezahlte die Nationalparkverwaltung alleine im Jahr 2013 an die Firma BIOS für den Fang von insgesamt 80 Igeln eine Gesamtsumme von EUR 80.000,00. Das entspricht EUR 1.000,00 pro Igel. Die Tiere wurden auf dem Festland ausgesetzt, damit sie auf den Inseln die Brutvogelgelege nicht beeinträchtigen sollten.

In der Gesamtschau werden klassische, landeskulturell begründete Formen der Landnutzung durch die Restriktionen des Nationalparks in einer für die Insulaner nicht mehr tragbaren Form ausgehöhlt.

IV. Minderheitenschutz

Die anhaltende Entkernung menschlicher Nutzungsrechte steht nicht nur im Konflikt zu Eigentümerinteressen im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 GG, sondern dürfte auch specialiter in Friesland dem Minderheitenschutz im Zusammenhang mit dem Rahmen-Übereinkommen (RÜ) von 1995 widersprechen. Anerkannte Minderheiten sind in Deutschland neben denen Sorben und Sinti auch die Friesen. Geschützt werden die friesische Sprache, die Identität, die Bildung sowie Teilhabe- und Gleichheitsansprüche. Nach dem Rahmenübereinkommen umfasst der Schutz sowohl die Gewährleistung einer politischen Selbstverwaltung als auch die positive Förderung des kulturellen Miteinanders und die Abwehr von Minderheitenrestriktionen. Die Jagdausübung als kulturell verdichtete Form der Landnutzung dürfte zwingend ein Teil des Minderheitenschutzes sein. Ein Beispiel hierfür ist die Klage der Samengemeinde Girjas/Sameby gegen das Königreich Schweden, hinter der ein Minderheitenschutz der Samen und ihrer typischen Nutzung von Rentierbeständen steht, seit „unvordenklichen Zeiten“ steht [8]. Eine gegenläufige Bewertung der historisch/kulturell begründeten Jagdausübung ist für die Jagd auf den Friesischen Inseln kaum angebracht.

Der Minderheitenschutz kann sowohl im Rahmen formeller gerichtlicher Verfahren bis hin zum  EGMR durchgesetzt werden. Daneben ist es möglich, den beratenden Ausschuss für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in Berlin oder Straßburg anzurufen.

V. Praktische Konkordanz

Das Spannungsfeld zwischen Naturschutz, Minderheitenschutz und Eigentumsschutz ist verfassungsrechtlich aufgeladen. Es kann nicht durch den pauschalen Vorrang einer Zielstellung aufgelöst werden[9]. Vielmehr sind die wechselseitigen Rechtspositionen im Wege praktischer Konkordanz auszugleichen und zur Entfaltung zu bringen[10]. Einen wesentlichen Gesichtspunkt für diesen Ausgleich stellt die Geschichte der Ostfriesischen Inseln und ihrer Natur dar.

Grundsätzlich ist anerkannt, dass der Naturschutz im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) sich nicht nur auf vom Menschen völlig unbeeinflusste Räume bezieht. Auch und gerade die Kulturlandschaft und ihre natürlichen Pflanzen- und Tiergesellschaften sind Schutzgüter im Sinne des Gesetzes [11]. Entscheidend soll insofern sein, dass der natürlichen Physis noch ein vom Menschen unbeeinflusster Wesenskern zukommt, der durch Ursprünglichkeit und fehlende menschliche Lenkung gekennzeichnet ist [12].

Der Naturraum der Ostfriesischen Inseln ist jedoch über diesen Kerngehalt hinaus vom Menschen geprägt. Er besteht nämlich ausschließlich wegen und durch die menschliche Nutzung und ist in diesem Sinne kein zu erhaltender Naturzustand, sondern die Äußerung des Nutzungs- und Gestaltungswillens der örtlichen menschlichen Gesellschaft. Landgewinnung, Landverteidigung und Landerwerb erfolgten in diesem Teil Deutschlands als sog. „Spatenrecht“. Nur der Rechtsträger, der sich am Erhalt des Landes praktisch beteiligte, konnte auch sein Eigentumsrecht erhalten. Untätige Rechtsträger gingen dieser Position hingegen nach dem Grundsatz des „Wer nicht deichen will, muss weichen“ verlustig [13]. Diese Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber dem von ihm geschaffenen Umfeld ist Ausdruck der Friesischen Kulturgemeinde auf den Inseln. Erhaltung und Nutzung gehen dabei Hand in Hand.

Insofern ist das Schlagwort der Naturschutzbewegung „Natur Natur sein lassen“ im Bereich der Ostfriesischen Inseln eine Antinomie. Ließe man Natur dort Natur sein, so käme das einer Aufgabe dieser Inseln gleich. Nur durch dieses soziokulturelle System der Deichwirtschaft war es möglich, die Ostfriesischen Inseln gegen den klassischen natürlichen Verlauf von Sturmfluten so zu verteidigen, dass nicht nur menschliches Leben dort möglich war, sondern auch agrarische Nutzung und das Gedeihen von Wildtieren. Die Ostfriesischen Inseln und der als Weltnaturerbe bezeichnete Naturraum existieren deshalb ausschließlich aufgrund eines per se naturwidrigen Eingriffs des Menschen im Eigeninteresse, nicht jedoch aufgrund natürlicher Entwicklungen. An dieser Stelle stößt die Philosophie von Schutz und Nutzung an einen Wertungswiderspruch. Eine rein anthropogene Entwicklung von Naturräumen aus Nutzungsinteressen heraus, wird im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zum Ausgangspunkt eines Schutzprozesses, der den eigentlichen Motor für die Existenz dieser Räume, den Menschen, völlig aus der Nutzung verdrängt.

Nimmt man den Gedanken der praktischen Konkordanz ernst, so muss man die landestypische Naturnutzung zum Teil des Schutzkonzeptes machen, mit dem nicht nur der Naturraum, sondern auch die Präsenz des Menschen in seiner kulturellen Verankerung geschützt wird. Nicht umsonst betreibt die friesische Minderheit die Anerkennung der Wasservogeljagd als immaterielles Kulturerbe. Die Falknerei war in diesem Zusammenhang bereits erfolgreich [14]. Insofern wäre es nicht nachzuvollziehen, wenn die Kombination von Minderheitenschutz und Kulturpflege im selbstgeschaffenen Naturraum anders behandelt würde.

Wird auf dieser Basis nicht um die althergebrachte Form der Landnutzung gerungen, so wird in absehbarer Zeit ein Naturschutz im Wattenmeer herrschen, der den Menschen nur noch als auszuschließenden Störfaktor begreift.

[8] Högsta Domstolen, Urteil vom 23. Januar 2020, Case No. T 853-18.

[9] Vgl. Lerche, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage 1999, Rn. 72.

[10] BVerfGE 77, 240.

[11] Meßerschmidt, § 1 BNatschG, Rn. 28.

[12] Frenz/Müggenborg-Mengel, § 1 BNatschG; Rn: 13.

[13] Deutsches Rechtswörterbuch: DRW. XIII Sp. 845-846.

[14] https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-weltweit/falknerei

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: Dr. Florian Asche, Pixabay.

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