Was hat es mit dem Winterspeck bei Wildtieren auf sich?
Im Fett liegt die Kraft: Unsere Wildtiere brauchen ihren Winterspeck, um die harten Wintermonate zu überleben.
Aber was heißt das genau? Wir haben nachgeforscht – und faszinierende Antworten gefunden.
WINTERSPECK
BEI WILDTIEREN
Die Winterzeit bedeutet für uns Menschen vor allem eines: den Rückzug ins Warme, das Es-sich-gemütlich-Machen zu Hause, das besinnliche Feiern von Weihnachten und die Entschleunigung zu Jahresbeginn. Die Winterzeit für unser Wild hingegen ist das ziemliche Gegenteil: nämlich eine Zeit des Überlebens, des strategischen Haushaltens mit den eigenen Kräften – und des manchmal ziemlich erfinderischen Über-die-Runden-Kommens. Dabei ist eine Sache entscheidender, als man denken mag: Fett. Ja, nichts brauchen unsere Wildtiere in den Wintermonaten mehr als ihren Winterspeck. Und das aus zwei Gründen:
- Erstens dient er ihnen als Energiespeicher, den sie während der kalten, unwirtlichen Monate anzapfen, wenn Nahrung schwerer in ihrem jeweiligen Habitat zu finden ist. So können die Wildtiere ihren – wenn in den Wintermonaten meist auch niedrigeren – Energiebedarf decken, ohne ständig fressen zu müssen.
- Und zweitens verfügen sie mit dem Winterspeck über ein Fettpolster, das sie vor der Kälte schützt. Doch die Sache mit dem Winterspeck funktioniert bei den vielen Wildarten unterschiedlich.
Wie viel Winterspeck essen sich Wildtiere an?
Die meisten Wildarten haben folgendes gemeinsam: Sie beginnen im Herbst damit, viel, sehr viel zu essen.
Rotwild zum Beispiel kann im Herbst bis zu 20 Prozent seines Körpergewichts an Fettreserven ansammeln.
Das ist aus menschlicher Perspektive nicht wenig: Ausgewachsenes Rotwild wiegt immerhin zwischen 100 und 200 Kilogramm, bei ausgewachsenen Männchen in höheren Lagen können es auch mehr sein. Das Fettpolster, das also von September bis November „angefressen“ wird, wiegt gut und gerne bis zu 40 Kilogramm.
Bei Rehen und anderen Wildarten sind die Fettzunahmen etwas geringer.
Niederwild wie Feldhasen beispielsweise essen kontinuierlicher während der Winterzeit und sammeln damit – auch prozentual zu ihrem Körpergewicht gemessen – weniger Fettreserven als Rehe oder Hirsche. Das liegt daran, dass sie meist in niedrigeren Lagen mit weniger Schnee leben – und daher auch einfacher Futter vorfinden als in jenen Gegenden, in denen wochen-, wenn nicht gar monatelang mit Schneedecken zu rechnen ist.
Wildtiere bauen über den Winter Fett und Muskeln ab
Was Niederwild mit den meisten anderen Wildarten verbindet, ist dennoch, dass sie im Laufe der Wintermonate Schritt für Schritt an Körpergewicht verlieren. Dabei handelt es sich bezeichnenderweise nicht nur um Fett, sondern auch um Muskeln, denn durch die verminderte Bewegung und das instinktiv ausgeführte Schonprogramm werden eben auch die Muskeln weniger. Es ist genau diese instinktive Schonprogrammthematik, die in der Welt der Wildtiere so faszinierend ist: Während manche nur das Nötigste tun, setzen andere noch eins drauf – und fressen sich ihren Winterspeck nur für eine Sache an: den Winterschlaf.
Was hat Winterspeck
mit Winterschlaf zu tun?
Das gilt vor allem für Wildtiere wie den Braunbären oder den Siebenschläfer. „In unseren Breitengraden verbringen Siebenschläfer im Durchschnitt acht Monate im Winterschlaf, nicht sieben, wie sein Name vielleicht vermuten lässt“, erklärt Claudia Bieber, Leiterin des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie. „Die Herzfrequenz wird dabei von etwa 350 auf 8 Schläge pro Minute reduziert“, so Bieber. „Auf so niedriger Sparflamme verbrauchen die Tiere sehr wenig Energie. Die angefressenen Fettvorräte im Herbst sichern das Überleben für viele Monate, denn während des Winterschlafs nehmen Siebenschläfer keinerlei Nahrung oder Flüssigkeit auf.“ Besonders faszinierend: Während der Winterschlafzeit sinkt die Körpertemperatur der Siebenschläfer auf unglaubliche fünf bis sieben Grad, was nahezu der kalten Umgebungstemperatur entspricht.
Anders verhält es sich mit dem Braunbären, der als eine der ganz wenigen Wildarten keine Winterspeckreserven für den Winter anlegt. Einfach, weil er sie nicht braucht, denn: „Bären sind Experten darin, ihre Muskelmasse und Kraft während des Winterschlafs zu erhalten“, so der Ökophysiologe Sylvain Giroud im Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Und erklärt: „Während die kleineren Winterschläfer, wie Siebenschläfer oder Murmeltiere, ihren Stoffwechsel im Durchschnitt um 95 Prozent reduzieren und ihre Körpertemperatur während des Winterschlafs drastisch absenken – von 37 auf etwa vier bis sechs Grad Celsius – und dazwischen Aufwärmphasen einlegen, überwintern Bären bei mäßiger Hypothermie.
Das bedeutet: Während des Winterschlafs verringert sich ihre Körpertemperatur um nur vier oder fünf Grad Celsius“, so Giroud. Als Ausnahme bestätigen Braunbären also die Regel: ohne Fett kein Überleben in den Wintermonaten für unsere Wildtiere.
Ausreichend Nahrungsmöglichkeiten
im Herbst wichtig
Ganz gleich, wie viel sie davon im Herbst anlegen und im Winter dann wieder verlieren: In Zeiten von Wetterextremen sind sie mehr denn je auf ausreichend Nahrungsmöglichkeiten im Herbst angewiesen.
Dank der wertvollen Arbeit der Jägerschaft und der Revierchefs können wir hierzulande darauf zählen, dass unsere Wildtiere diese auch weiterhin vorfinden werden. Damit sie es dann – ähnlich wie wir Menschen – auch etwas ruhiger angehen können in diesen kalten Wintermonaten.
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: © AdobeStock: Hirsch | © Pixabay
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at
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