„Wölfe und Bären sind ein gesellschaftspolitisches Thema“
Dr. Michaela Skuban erforscht das Verhalten von Großraubwild.
Wir sprechen mit ihr über die Ausbreitung der Arten in Österreich, Möglichkeiten des Managements und den Faktor Mensch in dieser Frage.
WÖLFE & BÄREN
1) In der Slowakei haben Sie über 16 Jahre das Leben von Bären und Wölfen in der Kulturlandschaft erforscht.
Mit welchen Methoden gehen sie vor?
Dr. Michaela Skuban: Wir haben verschiedene Datenquellen benutzt, das Besendern der Tiere ist natürlich etwas ganz Besonderes. Wir hatten 40 Bären und 14 Wölfe mit den Senderhalsbändern draußen laufen. Wir haben auch mit indirekten Methoden geforscht: Über Kotanalysen, Spuren und besenderte Beutetiere. Auch Jäger, Weidehalter oder Fotofallen sind Datenquellen. Diese setzen wir wie ein Puzzle zusammen, um die Tiere besser zu verstehen. Unterschiedliche Methoden sind natürlich unterschiedlich kostspielig. Wir haben dann je nach Möglichkeiten gewählt.
2) Ist eine Koexistenz der Großraubwild und menschlicher Interessen möglich?
Dr. Michaela Skuban: Da muss man immer sehr vorsichtig sein. Bei den Wörtern „friedliche Koexistenz“ denkt jeder, der Wolf grast da ein wenig umher. So ist das natürlich nicht. Da ist dann die Frage des adäquaten oder angepassten Managements sehr entscheidend. Am Beispiel der Slowakei kann man sehen, was passiert, wenn man im Management große Fehler macht, Bären zum Beispiel nicht mehr entnimmt, wenn sie im Dorf leben und Probleme machen. Da wurde ideologisch gegen die Entnahme geworben. Dann fangen die Dinge an zu kippen und gefährlich zu werden. Wenn hier in Österreich die Tiere zurückkommen, gibt es vielleicht Gebiete, in denen keine Koexistenz möglich ist, weil sie einfach zu dicht besiedelt sind. Aber vielleicht kann man in manchen Bereichen die Tiere akzeptieren. Ein Management kann viele Dinge gut abfedern. Wie die Frage, was mit auffälligen Tieren zu tun wäre und was zu tun ist, wenn Schäden aufkommen.
Das Bild einer konfliktfreien Koexistenz entspricht nicht der Wirklichkeit: Wenn ein Bär da ist, gibt es immer ein Risiko, ihn zu treffen. Das muss auch kein auffälliger Bär sein. Wenn ein Wolf da ist, gibt es immer das Risiko, dass er ein Haustier reißt. Wichtig ist hier, sich zu überlegen, was man tun kann, damit die Menschen vor Ort sich nicht allein damit fühlen. Es ist wichtig, sie im Management mitzudenken.
3) Wie würde eine dauerhafte Ansiedelung von Großraubwild die Kulturlandschaft verändern?
Dr. Michaela Skuban: Wenn Tiere selbstständig zurück in ein Habitat kommen, ist es natürlich eine Herausforderung für die Menschen, die daran nicht gewöhnt sind. Der Bär zeigt Menschen auch oft die Konsequenz seiner rücksichtslosen Handlungen. Ein streunender Hund hat bis jetzt Wildtiere aufgescheucht, wenn er aber auf einen Bären trifft, nimmt er den Bären mit zum Menschen. Wenn man bis jetzt in der Dämmerung auf den Berg gegangen ist, waren Gämse und Rehe beunruhigt, aber in einem Bärengebiet ist das etwas anderes. Die Frage ist jetzt, ob Menschen hier bereit sind, sich umzustellen und zwei Schritte zurückzugehen. Beim Wolf sind speziell die Landwirte betroffen. Hier muss man lokal entscheiden: Ist Herdenschutz möglich? Das ist ja nicht nur eine Frage der Landwirtschaft, sondern damit auch des Lawinenschutzes und des Tourismus. Und es hat Konsequenzen für andere Wildtierarten: Wenn ich alles einzäune, ersticken die Gämsen darin. Ich kann nicht für eine Art alles andere opfern. Man muss dieses Thema gesamtgesellschaftlich sehen.
4) Wir bejagen Großraubwild im Moment kaum. Wird die Scheu vor dem Menschen durch aktive Jagd beeinflusst?
Dr. Michaela Skuban: „Die angeborene Scheu“ gibt es nicht – sie ist ein erlerntes Verhalten. In der Slowakei konnte ich beim Wolf eines beobachten: Es gab dort immer Bejagung – bis 2021. Danach haben wir etwas beobachtet, das wir nicht glauben konnten: Am Tag gab es Sichtungen von Wölfen in Dorfnähe. 2023 sind dann auch zwei Übergriffe auf Menschen passiert. Das kannte ich davor nicht! Die Tiere merken, dass nichts passiert, nehmen vielleicht die Jungtiere mit und so trägt sich ein problematisches Verhalten weiter und da muss man sofort einwirken. Sonst hat man dann schnell Tiere, die keinen Respekt mehr vor dem Menschen haben. Das kann sehr gefährlich werden. Eine angepasste Jagd ist unerlässlich.
5) Konnten Sie einen Einfluss der Großraubwildtiere auf den örtlichen Wildbestand feststellen? Wie sah dieser aus?
Dr. Michaela Skuban: Wir wussten immer genau, wann die Wölfe unterwegs waren, denn dann war es totenstill im Wald. Die Wildtiere sind in einem Wolfsgebiet nicht die ganze Zeit in Panik. Sie wissen – warum weiß ich nicht – wann der Wolf gefährlich ist und wann nicht. Rotwild wird natürlich insgesamt vorsichtiger, sucht mehr Deckung und lebt in größeren Gruppen zusammen. Ganz sicher gibt es auch eine Reduktion, aber angesehen der übermäßig hohen Wildstände können die Raubtiere den Bestand der Beutetiere gar nicht mehr so regulieren, wie man das von ihnen erwarten würde, schon gar nicht, wenn sie auf Weidetiere gehen.
6. Wie viel Großraubwild trägt die Kulturlandschaft in Österreich?
Dr. Michaela Skuban: Der Bär kann auch in der Stadt wohnen. Die Frage ist nur, ob die Menschen das mit ihm können. Es hängt auch von den Individuen ab. Wenn ich solche habe, die sich zurückziehen, können vielleicht fünf oder gar zehn Bären in der Steiermark wohnen und es geht gut, wenn ich aber einen habe, der in den Gärten die Kaninchen frisst, dann ist der schon zu viel und ich muss ihn entfernen und wenn’s der Letzte seiner Art ist. Ich muss also die Leute und ihre Bedürfnisse mit in die Berechnungen nehmen.
Menschen wollen immer Zahlen haben. Wölfe und Bären sind in Europa zum Glück nicht gefährdet. Für mich ist immer die Frage: Muss ich den Wolf vor der Haustüre haben, um ihn zu schützen oder kann ich Orte finden, an denen er sein kann. Wir haben damals versucht, die Reproduktion nachzuvollziehen, um die Regulationsmöglichkeit des Nettozuwachses aufzuzeigen. Die Problemwölfe müsste man eben abziehen und den Rest sozusagen an die Jägerschaft ausschütten. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht in der Slowakei. Menschen dürfen sich nicht von Raubtieren übervorteilt fühlen, denn dann finden sie Mittel und Wege und das ist dann sehr grausam für die Tiere. Es ist eben ein gesellschaftspolitisches Problem.
7. Weisen also verschiedene Individuen einer Art unterschiedliches Verhalten auf?
Dr. Michaela Skuban: Ja, das glaubt man gar nicht, welche Individualisten es unter den Tieren gibt. Wir hatten Wolfsrudel, die haben sich nicht um Weidetiere gekümmert und solche, die sich darauf spezialisiert haben. Manche Bären leben relativ vegetarisch, andere nehmen oft Aas und andere sind echte Jäger. Mein Job ist es, die Tiere vor Ort besser zu verstehen und das Management muss entscheiden: Geht es mit denen oder nicht. Auf lange Sicht stellt sich die Frage: Entnimmt man nur die Problemtiere oder jage ich nach dem System des Präventivabschusses.
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: © Pixabay
Autor für diesen Beitrag: J. Egger / Jagdfakten.at
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