Streitthema Wolf:
„Eine effektive Bestandsregulierung ist unerlässlich!“
Wie mit dem Wolf richtig umgehen? Das Thema beschäftigt aktuell Bauern, Jägerinnen und die allgemeine Öffentlichkeit auf besondere Weise. Hier bringt nun Fachbuchautor Roland Norer zumindest in rechtlicher Sicht Licht ins Dunkel.
WOLFSMANAGEMENT
Wölfe kommen aus Italien bzw. Südtirol, aus Tschechien oder über Tschechien: Aktuell zählt das Österreichzentrum hierzulande sechs Wolfsrudel (Stand: 4. Juli 2024), die in den letzten Monaten zahlreiche Diskussionen rund um den Umgang mit dem Wildtier entfacht haben. Was aber ist richtig – und was ist falsch?
Genau diesem Thema hat sich Prof. Dr. Dr. h.c. Roland Norer, Ordinarius für Öffentliches Recht und Recht des ländlichen Raums an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern, nun ausgiebig gewidmet und ein 400 Seiten starkes Buch verfasst, das unter dem Titel „Wolfsmanagement im Alpenraum – Rechtsfragen zwischen Artenschutz und Weidehaltung“ firmiert.
Wir haben den Wiener in seiner Schweizer Wahlheimat besucht. Und mit ihm über Wolfsmanagement per se gesprochen, dessen Notwendigkeit und darüber, was Österreich noch lernen muss. Und von wem.
Wolfsmanagement
im Alpenraum
Herr Professor, Sie haben vor Kurzem ein Buch zum Thema „Wolfsmanagement im Alpenraum“ veröffentlicht. Aus gegebenem Anlass: Im Gegensatz zu anderen Beutegreifern umgibt den Wolf ein ganz spezieller Mythos …
Prof. Norer: Die Idee zu dem Buch entstand aus einer Arbeit für das Österreichzentrum Bär Wolf Luchs. Als Jurist mit Fokus auf Agrarrecht, Umwelt und Raumplanung habe ich mich intensiv mit den rechtlichen Aspekten des Wolfsmanagements befasst. Der Wolf ist ein faszinierendes und zugleich polarisierendes Thema. Seine Rückkehr in den Alpenraum hat viele Diskussionen und rechtliche Fragestellungen aufgeworfen. Zudem gibt es kaum ein anderes Tier, das juristisch eine solche „Karriere“ gemacht hat.
Sie sind Professor für Öffentliches Recht und den ländlichen Raum. Warum ist der Wolf aus juristischer Sicht so interessant?
Prof. Norer: Der Wolf ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Wildtier juristisch reguliert werden kann. Ich habe ihn im Buch als Karrieristen bezeichnet; immerhin gibt es unzählige Gerichtsurteile, Richtlinien und nationale sowie internationale Rechtsakte, die den Umgang mit ihm regeln. Es gibt mehrere EuGH-Entscheidungen und insbesondere in Deutschland diverseste nationale Urteile. Der Wolf vereint eine unglaubliche Menge an Rechtsliteratur auf sich, was ihn aus juristischer Sicht besonders interessant macht. Diese Karriere kann dem Wolf keiner nachmachen.
Prinzipiell spaltet der Wolf aber die Geister – manche sind für seinen Schutz, manche dagegen. Nachdem Sie sich eingehend mit ihm beschäftigt haben: Wie ist Ihre Meinung?
Prof. Norer: Ich vertrete eine pragmatische Sichtweise. Der Wolf muss, wie andere Wildtiere auch, reguliert werden. In stark besiedelten Gebieten mit intensiver Landnutzung und Tourismus ist eine unkontrollierte Vermehrung problematisch. Es ist wichtig, einen Mittelweg zu finden, der sowohl den Schutz des Tieres als auch die berechtigten Interessen der Bevölkerung berücksichtigt. Eine effektive Bestandsregulierung ist unerlässlich.
Was verstehen wir überhaupt unter Wolfsmanagement?
Prof. Norer: Wolfsmanagement bedeutet, dass der Mensch den Bestand und das Verhalten der Wölfe aktiv steuert. Dies kann Maßnahmen wie Bestandsregulierung, Schutz der Nutztierhaltung durch Zäune und Herdenschutzhunde sowie die Festlegung von Gebieten, in denen Wölfe toleriert oder nicht toleriert werden, umfassen. Ziel ist es, ein konfliktarmes Zusammenleben von Mensch und Wolf zu ermöglichen.
Was unterscheidet das österreichische Wolfsmanagement von anderen Ländern?
Und was sollte sich ändern oder verbessern?
Prof. Norer: In Österreich ist das Wolfsmanagement Ländersache, was zu einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen führt. Ein Vorbild könnte Schweden sein, wo eine klare Bestandsregulierung mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung existiert. Österreich könnte von einer einheitlicheren und entschlosseneren Herangehensweise profitieren, um schneller auf Probleme reagieren zu können und frühzeitig eine effektivere Bestandskontrolle zu gewährleisten.
Kann und muss Wolfsmanagement auch regional gedacht werden?
Prof. Norer: Wolfsmanagement muss absolut regional gedacht werden. Die unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse in den Regionen erfordern angepasste Managementstrategien. Nur eine einheitliche bundesweite Regelung hat sich bei unseren Nachbarn in Deutschland und der Schweiz als zu starr erwiesen und berücksichtigt nicht die spezifischen Herausforderungen vor Ort.
Wildökologische
Raumplanung
Die österreichische Jägerschaft spricht sich ja auch klar für eine wildökologische Raumplanung von Wölfen aus. Warum gilt für den Wolf nicht, was für Rotwild & Co. gilt?
Prof. Norer: Die wildökologische Raumplanung für Wölfe ist ein wichtiger Aspekt, der bislang zu wenig berücksichtigt wurde. Wir benötigen spezifische Managementpläne, die auf die Verhaltensweisen der Wölfe und die regionalen Gegebenheiten abgestimmt sind. Eine stärkere Einbindung der Jägerschaft und eine laufende Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind absolut notwendig.
Wie sehen Sie die Herausforderungen und Chancen der Integration von Wölfen in landwirtschaftlich genutzte Gebiete? Welche Maßnahmen können Landwirte ergreifen, um ihre Nutztiere zu schützen und gleichzeitig mit dem Wolf zu leben? Ist dies überhaupt möglich?
Prof. Norer: Die Integration von Wölfen in landwirtschaftlich genutzte Gebiete ist eine große Herausforderung. Maßnahmen wie der Einsatz von Herdenschutzhunden, Elektrozäunen und professionellen Hirten können helfen, die Nutztiere zu schützen. Allerdings sind diese Maßnahmen kostspielig und nicht immer effektiv. In Regionen mit kleinen landwirtschaftlichen Strukturen ist dies besonders schwierig. Es braucht eine umfassende und differenzierte Herangehensweise, die sowohl den Schutz der Wölfe als auch die Interessen der Landwirtschaft berücksichtigt.
Welche spezifischen gesetzlichen Anpassungen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um ein effektives Wolfsmanagement in Österreich zu gewährleisten? Gibt es internationale Vorbilder, von denen Österreich lernen könnte?
Prof. Norer: Österreich benötigt eine klarere gesetzliche Grundlage für das Wolfsmanagement. Dazu gehören schnellere und effizientere Entscheidungsprozesse für die Entnahme von Problemwölfen und eine bessere Koordination zwischen den Bundesländern. Schweden ist – wie gesagt – ein gutes Beispiel für ein erfolgreiches Wolfsmanagement, das durch klare Regelungen und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gekennzeichnet ist.
Wie wichtig ist es, die öffentliche Meinung und das Bewusstsein über den Wolf zu verändern? Herrscht hier – Ihrer Meinung nach – unnötige Angst oder die realitätsferne Utopie eines konfliktfreien Zusammenlebens?
Prof. Norer: Meinem Eindruck nach herrscht beides. Die öffentliche Meinung ist oft von extremen Positionen geprägt. Es ist wichtig, sachliche Informationen zu vermitteln und das Bewusstsein für die realen Herausforderungen und Chancen des Zusammenlebens mit Wölfen zu schärfen. Mehr Aufklärung und eine differenzierte Diskussion sind unerlässlich.
Welche Auswirkungen hat die Rückkehr des Wolfes auf die Zivilbevölkerung? Auf den Tourismus?
Prof. Norer: Ich würde sagen: bestenfalls gemischte. Einerseits gibt es in der Bevölkerung Bedenken und Ängste, andererseits auch Interesse und Faszination. In touristischen Gebieten können einzelne Angebote wie Wolfstouren oder Informationszentren geschaffen werden, um das Interesse zu nutzen und gleichzeitig zu informieren und zu sensibilisieren. Aber mehrheitlich wird sich ein Unsicherheitsgefühl natürlich negativ auf gewisse Tourismusdestinationen auswirken.
Der Wolf und die Zukunft
Wird der Wolf bleiben, wird es mehr Wölfe geben? Wie können wir ihm Herr werden?
Prof. Norer: Der Wolf wird bleiben und die Population wird voraussichtlich weiterwachsen. Ich bin kein Biologe, aber die Reproduktionsrate liegt bei 30 Prozent pro Jahr. Auch deshalb ist eine vorausschauende und pragmatische Herangehensweise mehr als notwendig, um ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Kontrolle zu finden. Durch klare gesetzliche Regelungen, effektive Managementstrategien und eine informierte Öffentlichkeit können wir den Herausforderungen begegnen.
Wenn man sich nicht drum kümmert: Was sind die Probleme, die entstehen können, wenn sich keiner dem Wolfsmanagement annimmt?
Ohne Regulierung kann die Wolfspopulation unkontrolliert wachsen, was zu vermehrten Konflikten mit der Landwirtschaft und der Zivilbevölkerung führen kann. Die Akzeptanz in der Bevölkerung könnte sinken, illegale Abschüsse könnten zunehmen. Ein effektives Management ist daher unerlässlich, um ein konfliktarmes Zusammenleben zu gewährleisten.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Bildquellen für diesen Beitrag: © Pixabay
Autor für diesen Beitrag: U. Macher / Jagdfakten.at
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